Catullus Teil 2 - Korridor zu einer anderen Welt, Science Fiction Serie (German Edition)
Beer. Und Beer lässt ihn jetzt hängen. Qian hat sich nie einsamer gefühlt unter seinen Roboterwesen, schön anzuschauen, nützlich, sauber, 100 prozentig loyal, aber völlig leer. Sein Bodyguard, der Einzige, dem er alles anvertraut, ist zwar ständig in seiner Nähe, aber eine Konversation mit ihm zu führen, fällt schwer. Er ist ein guter Krieger, auch keine Dumpfbacke, aber keiner, der gerne quatscht, einer, der lieber für sich selber ist. Hongs Frau arbeitet in New York, was genau, das weiß er nicht. Es hat ihn nie interessiert. Seit Alex' Tod reden sie fast täglich, aber sie reden eben nur. Seit ein paar Monaten gibt es kaum mehr Treffen, kaum mehr Küsse, kaum mehr Liebe. Zu sehr sind beide eingespannt in ihre Jobs, die ihre ganzen Leidenschaften sind, vielleicht die letzten in ihrem Leben. Hong überlegt sich, was er tun wird, falls er Beer nicht in die Knie zwingen kann. Falls der sich weigert, der Spezialeinheit „Catullus“ anzuschließen. Er weiß, die ganze Idee ist waghalsig, ungeheuer riskant, denn wenn es ihm nicht gelingt, früh genug die Informationen abzuschöpfen, sobald Catullus gefunden wurde (und wenn er sich in Europa aufhält, wird man ihn finden, da ist sich nicht nur Hong, da sind sich alle Experten sicher), könnte Catullus eine Leiche sein, ehe er Hong geheilt hat ...
- Was soll ich tun? Was soll ich mit dem Arschloch machen?
Der Bodyguard, dessen Name Hong immer vergisst, weshalb er ihn nur „Guard“ nennt, schweigt lange, ehe er etwas sagt.
- Du musst überlegen, was er fürchtet.
- Er fürchtet weder Tod noch Teufel. Er fürchtet nicht einmal, elend an MSD zugrunde zu gehen.
- Bring seine Geliebte um.
- Seine Geliebte?
- Michaela.
Hong atmet schwer, schüttelt den Kopf.
- Ich kann doch nicht die große Liebe meines Sohnes umbringen. Das würde er mir nie verzeihen.
Der Bodyguard senkt den Kopf, für einen Moment scheint es, als wolle er etwas erwidern, aber er traut sich nicht. Dass Alex tot ist, erkennt Hong manchmal an, meistens tut er das aber nicht. Hong steht vor einer Wand von zwanzig mal zwanzig Meter, die als Bildschirm dient. Auf dem Bildschirm ist zu sehen, was das Raumschiff Exolot IX von seiner Frontkamera auf die Erde schickt, ein Flug durch das All in einer Geschwindigkeit, die bisher von keinem anderen von Menschenhand gebauten Spaceship erreicht worden ist. Hong liebt dieses Bild, wenn er nicht arbeitet oder Arbeiten dirigiert, steht er gerne davor, er hat das Gefühl, der Blick in die Unendlichkeit würde ihn inspirieren, ihn zu Gedanken anstiften, die er sonst nicht wagen würde, weil alles zu kleinkariert war, als wäre jeder Mensch in eine Box gesperrt. Alle gefährlichen Gedanke sind verboten worden oder bereits durch die Erziehung ausgetrieben worden. Kinder werden gleich nach der Geburt in staatliche Obhut genommen, und dort bleiben sie, bis sie 16 sind, manche sogar, bis sie 20 sind, freiwillig.
- Siehst du das, Guard? Siehst du den Planeten dort?
- Ich sehe mehrere.
- Das sind keine Planeten, das ist Schmutz. Das hier, siehst du?, das hier ist ein Planet.
- Okay, ich sehe ihn.
- Gehört mir.
- Oh? Das ist der, den du gekauft hast?
- Vor zehn Jahren, jawohl.
- Ich frage nicht, wie weit er von der Erde entfernt ist.
- Hat auch keinen Sinn. Ich hab's vergessen. Jedenfalls nimmt die Exolot Kurs darauf. Sie wird auf dem Planeten landen und Proben entnehmen.
- Klingt gut, Boss.
Hong verschränkt die Arme, er schließt die Augen, stellt sich vor, was hinter all dem ist, hinter diesem unendlichen Universum, vielleicht ist das alles ja nur ein Vorhang, ein Schleier, den man herunterreißen kann, um das zu sehen, was dahinter ist.
- Gut. Sag deinen Leuten, sie sollen Michaela schnappen und ihr ein bisschen Angst einjagen. Aber keine Vergewaltigung. Keine Folter. Nur Psycho, verstanden?
Der Guard verbeugt sich, obwohl ihn Hong gar nicht sehen kann. Der Guard sieht auf die Leinwand, er findet das Weltall langweilig, tot, da ist nichts, kein Leben, kein Feuer, keine Leidenschaft.
***
Beer parkt das Auto in einer Tiefgarage, in der die Riesenratten ihr Paradies gefunden haben. Hier stinkt es nach verbranntem Plastik, nach Kot, nach Kadaver, nach Blut. Beer steigt aus, sieht, wie die Verfolger am Eingang stehen, nicht wagen, es ihm gleichzutun. Keiner ist so lebensmüde, in ein Gebäude im Ghetto zu fahren. Jetzt ist die Frage - wen fürchten Hongs Leute mehr - den unbekannten Feind in einem abgefuckten Hochhaus im Ghetto - oder ihren
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