Caylebs Plan - 6
zurückkehren, die Kavallerie und Kaiser absolut verlässlich zur Seite stand. Wenn eine vollständige Brigade Marines nicht den Versuch verhindern konnte, den Kaiser zu töten oder gefangen zu nehmen, dann war dieser ganze Einsatz ohnehin schon von vornherein zum Scheitern verurteilt.
So zumindest sah Cayleb die Lage, und daran orientierte er sich. Merlin hatte sein Bestes gegeben, den jugendlichen Kaiser umzustimmen. Cayleb aber war unerschütterlich geblieben. Widerstrebend hatte Merlin schließlich zugegeben, dass der Kaiser mit dieser Einschätzung nicht gänzlich Unrecht hatte, ob Merlin das nun passte oder nicht. Komme, was wolle: Cayleb war Merlins einzige Möglichkeit während dieses Einsatzes, Einfluss auf die charisianischen Truppen zu nehmen. Merlin konnte ja schlecht bei Brigadier Clareyk auftauchen und ihm sagen, wohin er seine Truppen marschieren lassen solle, um Bedrohungen abzuwehren, die seine eigenen Kundschafter noch nicht entdeckt hatten. Cayleb hingegen konnte befehlen, wonach auch immer ihm gerade der Sinn stand. Schon jetzt war sein Heer zu dem Schluss gekommen, der Kaiser sei an Land wie auf See gleichermaßen gut darin, taktische Situationen einzuschätzen. Es hatte also durchaus Sinn, Cayleb zur Speerspitze der Charisianer zu machen. Und weil dies derart klar auf der Hand lag, war Merlin gezwungen, es auch vor Cayleb einzugestehen.
Abgesehen davon war Cayleb nun einmal der Kaiser, und das war etwas, was hin und wieder zu betonen er sich nicht scheute - wann immer es ihm passte jedenfalls.
Gut, dass er wirklich so viel im Köpfchen hat, dachte Merlin. Er ritt eine halbe Pferdelänge seitlich versetzt hinter dem jungen Kaiser. Er mag ja ein Dickschädel sein. Aber wir wären in einem unglaublichen Schlamassel, wenn er den Kaiser heraushängen ließe, ohne dabei ein so heller Bursche zu sein! Was für ein Glück, dass er es gewohnt ist, ein Kommando innezuhaben. Das ist weiß Gott besser als Unentschlossenheit! Trotzdem hoffe ich, Sharleyan und ich können ihn davon abhalten, übermäßig selbstsicher zu werden. Jemand, der so viel Macht besitzt wie Cayleb, verfällt allzu leicht dem Irrtum, alles müsse immer nach seinem Willen laufen - und das mit zunehmendem Alter immer häufiger und heftiger.
Die Spitze der Kolonne kam in Sicht. Cayleb und seine Eskorte verlangsamten ihre Reittiere, als sie Brigadier Clareyks ebenfalls berittene Kommandogruppe erspähten. Über ihnen flatterte die schwalbenschwanzförmige Standarte, in die in Scharlach und Gold ein Kraken und eine große ›3‹ eingestickt war. Man hatte den Brigadier offensichtlich davon in Kenntnis gesetzt, dass sein Kaiser kommen würde, und nun kamen er und sein Stab ihm entgegen.
»Euer Majestät«, begrüßte ihn Clareyk und deutete, so gut das im Sattel ging, eine Verbeugung an.
»Brigadier«, gab Cayleb die Begrüßung zurück. »Ich hoffe, Sie haben nicht das Gefühl, ich wolle mich hier einmischen«, fuhr der Kaiser dann fort, »aber ich habe festgestellt, dass ich mich nicht im sicheren Schiff verschanzen mag, während ich meine Marines ausschicke, ohne mich in Schwierigkeiten zu bringen.«
Cayleb hatte die Stimme leicht angehoben. Merlin sah, dass mehrere der vorbeimarschierenden Marines sich ein Grinsen nicht verkneifen konnten. Die Bemerkung des Kaisers würde innerhalb einer Stunde bei der gesamten Brigade die Runde machen, davon war Merlin überzeugt. Bei Anbruch der Nacht wüsste dann gewiss dies gesamte Truppe westlich der Dark Hills davon.
»Gewiss, Euer Majestät«, pflichtete ihm Clareyk mit einem breiten Lächeln bei. Merlin war sich indes sicher, dass der Brigadier sich in Wahrheit wünschte, Cayleb sei jetzt einfach nur irgendwo anders, bloß nicht bei der Dritten Brigade. Doch dann schaute Clareyk mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck zu Merlin hinüber, und der Mann, der einst Nimue Alban gewesen war, fragte sich, wie viel sich Clareyk wohl in Wirklichkeit schon über ihn zusammengereimt haben mochte.
»Haben Ihre Kundschafter schon etwas über Gahrvais Kavallerie in Erfahrung gebracht?«, fragte Cayleb und schlug einen ernsten Tonfall an. Clareyk verzog das Gesicht.
»Berittene Kundschafter habe ich nicht viel, Euer Majestät. Unter den gegebenen Umständen aber wollte ich nicht, dass sich Patrouillen zu Fuß allzu weit von den Flanken der Kolonne entfernen. Bislang sind sie nur einige wenige Male auf die Kavallerie der Gegenseite gestoßen. Aber das waren immer nur Ein- oder
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