Caylebs Plan - 6
Verheißenen unterstützt. Ihr offener Widerstand hatte sie natürlich für die charisianischen Tempelgetreuen zu einer der verhasstesten politischen Figuren im ganzen Reich gemacht. Für die Gegner des Tempels nämlich war sie zur Galionsfigur geworden. Von Anfang an war man nur zu bereit gewesen, sie mit offenen Armen zu empfangen. Vor allem aber, nachdem die ersten Einzelheiten über den entsetzlichen Tod Erzbischof Erayks die Runde gemacht hatten, hatte man sie in Charis ins Herz geschlossen. Vorsichtshalber hatte Kaiserin Sharleyan daher zwei ihrer persönlichen Leibwachen zum Schutz der Witwe abgestellt.
»Was verschafft mir heute die Freude Ihres Besuches?«, erkundigte sich Maikel nun.
»Eigentlich, Euer Eminenz, benötige ich Euren Ratschlag. Ich ...«
Sie stockte, als Ahrdyn den schlanken, runden, ohrlosen Kopf aus seinem Korb herausstreckte. Adorai Dynnys gehörte zu den Menschen, die die Katzenechse ganz besonders liebte. Ahrdyn konnte sich stets darauf verlassen, von ihr geduldig und ausdauernd gestreichelt zu werden. So sprang er aus dem Korb und schlenderte quer durchs Arbeitszimmer, sprang Adorai mit einem Satz auf den Schoß und schnurrte zur Begrüßung.
Na ja, dachte Staynair. Es könnte wohl wirklich eine Begrüßung sein. Ich glaube aber eher, er nimmt sie triumphierend in Besitz.
Die Katzenechse ließ sich auf dem Schoß von Maikels Besucherin nieder. Sofort streichelte ihm Madame Dynnys mit einem Lächeln auf den Lippen über das kurze, dichte Fell.
»Aber, Madame, Ihnen ist schon bewusst, dass in den Augen einer Katzenechse der einzige Wert der Menschen darin besteht, dass sie Hände haben?«, fragte Staynair.
»Unfug, Euer Eminenz! Schließlich haben Menschen ja auch noch Milchkrüge!«
»Stimmt! Das muss ich wohl zugeben«, verbesserte sich Maikel und lächelte ebenfalls. Adorai machte es sich in ihrem Sessel bequem und kraulte die Katzenechse ausgiebig. Der Erzbischof neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Ich glaube, bevor wir unterbrochen wurden, hatten Sie mir gerade erzählen wollen, warum Sie meinen Ratschlag benötigen.«
»Ja.« Ihre Finger bewegten sich immer weiter. Aber ihr Gesicht verriet ihre innere Anspannung. »Eigentlich war ›Ratschlag‹ nicht ganz das richtige Wort. Eigentlich brauche ich eher Euren geistlichen Beistand.«
»Selbstverständlich«, gab er leise zurück. Seine Augen verdunkelten sich angesichts ihres Gesichtsausdrucks und ihres Tonfalls vor Sorge.
»Ich habe einen Brief für Euch, Euer Eminenz, man hat mich angewiesen, ihn lediglich Euch auszuhändigen oder Seiner Majestät, dem Kaiser persönlich. Abgesendet wurde er von einer Person, die mir sehr nahe steht. Darin wird Euch ein Angebot unterbreitet, das für Charis von immensem Wert sein könnte. Aber sollte dieses Angebot angenommen werden, so könnte das für ... diese Person sehr gefährlich werden. Ich bin also gekommen, um Euch diesen Brief zu bringen und Euch zugleich auch um Rat zu bitten. Ihr gehört zu den Ratgebern des Kaisers, aber Ihr seid auch Priester. Der Absender des Briefes ist bereits in vielerlei Hinsicht große Risiken eingegangen. Ich ... scheue mich, noch weitere Risiken hinzukommen zu lassen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es mir zusteht, diese Entscheidung für jemand anderen zu fällen. Bevor ich dieses Angebot aber Kaiserin Sharleyan unterbreite, wollte ich Euch etwas über diesen Brief erzählen: warum er abgefasst wurde und was dies an Folgen zeitigt.«
»Und Sie wollen mich nach meiner Meinung dazu fragen, ob Sie nun dem Briefschreiber gestatten sollten, weitere Risiken einzugehen?«
»Ja.« Sie suchte den Blick des Erzbischofs. »Ich weiß, wie Eure Antwort rein politisch gesehen lauten müsste, Euer Eminenz. Aber ich habe Euch auch als einen Mann Gottes kennen gelernt. Ich bitte Euch, über diese Frage in Eurer Eigenschaft als Priester nachzudenken.«
»Das ist selbstverständlich«, gab er nur zurück. Adorai Dynnys atmete auf, erleichtert, wie Staynair scheinen wollte.
Einige Sekunden lang saß Madame Dynnys nur schweigend da und kraulte Ahrdyn. Entschlossen straffte sie sich dann.
»Euer Eminenz, der Briefschreiber ist eine Briefschreiber in, eine sehr treue Freundin. Damals, als ich in Tellesberg eintraf, habt Ihr ebenso wie Ihre Majestäten, der Kaiser und die Kaiserin, Eurer Erleichterung ebenso wie Eurem Erstaunen Ausdruck verliehen, dass mir diese Reise überhaupt gelungen war. Nun, ohne diese Freundin hätte ich es niemals geschafft. Bitte
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