Caylebs Plan - 6
bei Soldaten, die in Leinenzelten nächtigten, waren Gewitter dem Schlaf nun wirklich nicht sonderlich zuträglich.
Die Wachabordnung vor der westlichen Mauer, acht Mann an der Zahl, ließ sich nicht leicht ausmachen - was Gairaht durchaus schätzte. Zwei der Männer waren noch recht einfach zu finden: Sie patrouillierten vor der Mauer auf und ab, das Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett über der Schulter. Die anderen sechs jedoch hatten sich vorschriftsmäßig getarnt, sodass sie Wache halten konnten, ohne ihre eigene Position jemandem zu verraten, der möglicherweise gerade auf dem Gelände herumschlich. Der Sergeant, der das Kommando über diese Abordnung innehatte, trat aus einem Gebüsch, um pflichtgemäß zu salutieren, als Gairaht an ihm vorbeischritt, und der Captain erwiderte die Geste der Höflichkeit.
Die Wachen vor der Nordmauer waren ebenfalls so aufmerksam, wie ihre Aufgabe es verlangte. Sie alle erfüllten ihr Pflicht vorbildlich, und Gairaht war stolz auf seine Männer. Die eine Hälfte stammte aus Chisholm, die anderen waren in Charis geboren. Für einen Außenstehenden wäre es schlichtweg unmöglich gewesen, sie voneinander zu unterscheiden - zumindest so lange, bis man ihren unterschiedlichen Akzent zu hören bekam. Natürlich hatte es bei der Vereinigung der beiden Garden zur neuen Imperial Guard zunächst gewisse Spannungen gegeben. Aber beides waren Eliteeinheiten gewesen. Sie hatten sich rasch zusammengerauft, und ihre Pflichten einten sie ebenso wie der Stolz darauf, als würdig angesehen zu werden, die Kaiserin zu beschützen.
Mittlerweile hatte Gairaht die Ostmauer erreicht und ging in großen Schritten in Richtung Südmauer und Haupttor. Die Ostmauer war die kürzeste der vier Mauern, was dem Captain ganz recht war. Die letzten Strahlen der blutroten Abendsonne drängten sich immer noch zwischen den dräuenden Wolken und den Kuppen der Styvyn-Berge hindurch, doch sie verblassten zusehends. Hier auf der Ostseite des Klostergeländes gab es einen richtigen Wald aus alten, ausgewachsenen Bäumen, in dem offenkundig nie Abholzung betrieben worden war, gänzlich anders als die säuberlich aufgereihten Pflanzen im Obstgarten. Dieser Wald lag vielleicht fünfzig oder sechzig Schritt weit von der Mauer entfernt. Die Schatten unter den Baumkronen waren schon jetzt undurchdringlich dicht und wirkten in Gairahts Augen düster, beinahe schon bedrohlich: ein geducktes, sprungbereites Ungeheuer. Dieser Gedanke war dem Captain unbehaglich, und so verdrängte er ihn ungeduldig, als er schließlich auch den letzten Wachposten auf dieser Seite überprüft hatte und auf das Haupttor zuhielt.
Manchmal geht wirklich deine Fantasie mit dir durch, Wyllys!, schalt er sich selbst. Das ist zwar vermutlich besser, als zu dumm zu sein, um sich Sorgen wegen des Offensichtlichen zu machen. Andererseits ist es aber auch nicht gerade ...
Der Armbrustbolzen mit stählerner Spitze, der zischend aus der Finsternis unter eben jenen Bäumen heransauste, traf ihn genau in die Kehle und beendete für alle Zeiten diesen Gedankengang.
.XIII.
Ein Bauernhaus nahe dem Kloster
Sankt Agtha, Grafschaft Crest Hollow,
Königreich Charis
Anderthalb Meilen vom Kloster Sankt Agtha entfernt zwang sich Bischof Mylz Halcom, ruhig an dem schlicht-massiven Holztisch sitzen zu bleiben. Am liebsten wäre er ungeduldig auf und ab gelaufen, hätte durch Bewegung Energie verbraucht, um die nervöse Anspannung loszuwerden, die sich in ihm immer weiter aufbaute. Bedauerlicherweise konnte er das unmöglich tun.
Wenn alles nach Plan verlief, sollte der Angriff auf das Kloster schon bald beginnen. Der Bischof schloss die Augen zu einem lautlosen Gebet, in dem er aus tiefstem Herzen um den Segen für die Männer bat, die sich dort draußen in der Dunkelheit versammelten, um die schwere Aufgabe zu erfüllen, die Gott ihnen auferlegt hatte. Halcom entging nicht, welch bittere Ironie doch darin lag, dass er noch vor kurzer Zeit zutiefst entsetzt angesichts der Vorstellung gewesen wäre, für den Erfolg eines solchen Unternehmens zu beten.
»Mein Lord, wir haben ... Besuch.«
Halcom öffnete die Augen und blickte rasch auf, als er bemerkte, wie angespannt Ahlvyn Shumays Stimme geklungen hatte. Sein Privatsekretär stand in der Eingangstür des Bauernhauses. Sein Gesichtsausdruck verriet Besorgnis.
»Was für Besuch denn, Ahlvyn?«, fragte Halcom und stellte fest, dass es ihm gelungen war, beinahe ruhig zu klingen.
»Ich, Mein Lord Bischof«,
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