Caylebs Plan - 6
folgen konnte.
Es blieb keine Zeit zum Trauern. Es gab nur noch die verzweifelte Notwendigkeit, irgendwie die Kaiserin zu beschützen. Er hatte Sharleyan behütet, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Er kannte sie, die junge Frau, bei deren Erziehung er mitgewirkt hatte, und die Monarchin, der zu dienen er voller Stolz geschworen hatte. Die Tempelgetreuen konnten sich ihm jetzt nur noch durch diesen Flur hier nähern. Er brüllte ihnen seine Wut entgegen, als er sich ihnen mit dunkelrot gefärbtem Bajonett entgegenwarf. Heißes Blut machte den Steinfußboden rutschiger und rutschiger; Knochen barsten unüberhörbar, als einer der Tempelgetreuen ausrutschte und der Länge nach zu Boden stürzte, und Seahamper rammte den Kolben seines Gewehrs mit aller Macht geradewegs auf den Hals des Mannes. Seahampers Welt bestand nur noch aus diesem kleinen Flur, aus den Männern, die immer weiter auf ihn zustürmten, aus dem immer weiter zunehmenden, entsetzlichen Schmerz in seinen Armen und aus dem Gestank von Blut.
Der Donner wurde lauter denn je, fast wie eine Explosion, ließ das ganze Gästehaus erzittern. Doch was machte das schon? Es war egal, unbedeutend und unwirklich.
Seahamper begriff nicht, dass dieser Donner nicht aus Westen, sondern aus Osten gekommen war.
Die Pistole krachte. Der Schatten, der gerade noch bedrohlich vor dem Fenster aufgeragt hatte, taumelte außer Sicht. Sharleyans zarte Hände fühlten sich an, als hätte gerade jemand mit einem Hammer auf sie eingeschlagen, als sie die abgefeuerte Pistole Daishyn Tayso zuwerfen wollte. Mitten in der Bewegung erstarrte Sharleyan. Still saß Tayso in seinem Stuhl, die Hände mitten in der Bewegung erstarrt. Ein Armbrustbolzen ragte aus seiner rechten Augenhöhle.
»Ich mach das schon, Sharleyan!«, rief Carlsyn Raiyz. Er nahm ihr die Pistole aus den Fingern und machte sich daran, sie nachzuladen. Seine Hände gingen plump vor angesichts der ungewohnten Aufgabe. Doch er deutete nur kurz mit dem Kinn auf das Fenster. »Kümmert Ihr Euch darum!«
»Weiter! Weiter!«
Mytrahn Daivys' Stimme war rau und brüchig. Seine Kehle fühlte sich blutig und aufgerissen an, doch er brüllte weiter, peitschte seine Männer mit der Stimme voran. Selbst noch mitten in diesem Tumult hörte er hin und wieder Charlz Abylyns Stimme, Lahraks hingegen war verstummt.
Er sah die beiden Gardisten, die nun geradewegs vor dem Eingang zum Gästehaus standen. Keinen Augenblick später stürzte einer der beiden zu Boden und wurde von den Stiefeln der Tempelgetreuen zertrampelt, die unablässig weiter vorwärtsstürmten. Der Wahnsinn hatte sie fest im Griff. Das Überleben selbst war unwirklich geworden, bedeutungslos, nichts im Vergleich zur Notwendigkeit, das Ziel zu erreichen.
Gut, dass wir sie jetzt nicht mehr lebendig haben wollen!
Dieser Gedanke zuckte Daivys durch den Kopf. Es war die reine Wahrheit, das wusste er. Der Hass und die Entschlossenheit seiner Männer hatte sie in blutrünstige Bestien verwandelt. Es wäre jetzt fast unmöglich gewesen, Sharleyan noch lebend zu ergreifen, selbst wenn das das eigentliche Ziel gewesen wäre.
Ich glaube ...
Mitten im Gedanken unterbrach sich Daivys. Es gab einen unglaublich lauten Donnerschlag genau über ihm. Eigentlich kam das kaum überraschend - auch wenn der Regen vorerst aufgehört hatte, war das Gewitter doch längst noch nicht vorbei. Doch dieser Donner war so laut, so heftig, dass Daivys ernstlich zusammenzuckte. Und dann, plötzlich, stand ein Gardist ganz unerwartet wieder auf den Beinen.
Daivys blinzelte erstaunt und rieb sich die Augen, um das Regenwasser zu vertreiben, das ihm immer noch aus den Haaren troff. Er versuchte herauszufinden, woher dieser einzelne Gardist so plötzlich aufgetaucht war. Es war, als sei er einfach vom Himmel gefallen!
Etwas war seltsam an diesem Gardisten. Ungläubig kniff Daivys die Augen zusammen: Dieser Gardist war gar nicht nass! Wie konnte er aber nicht vom Regen durchnässt sein, wie?
Daivys wischte die Frage ungeduldig beiseite. Um derartige Kleinigkeiten konnte man sich später immer noch kümmern. Im Augenblick war anderes wichtig. Und so griff er an.
Ein Gewehr hat dieser Kerl hier auch nicht, bemerkte er, als der Gardist zwei Schwerter zog. Das eine davon war deutlich kürzer als das andere, und das kam Daivys irgendwie bekannt vor. Er hatte doch schon einmal von jemandem gehört, der immer zwei Schwerter führte ...
Sein Hirn mühte sich immer noch mit der Suche nach
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