Caylebs Plan - 6
sei überhaupt nichts passiert, wenn eine Schar wildgewordener Verrückter vor weniger als fünf Stunden versucht hat, ihm die Frau zu ermorden?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Merlin ehrlich, »aber irgendwie muss es Euch gelingen! Andererseits ist es sehr gut möglich, dass Ihr Euch selbst schon zumindest eine gewisse Deckung verschafft habt. Diese Geschichte, Ihr hättet mich ausgeschickt, um eine Nachricht zu überbringen, war ziemlich geschickt zurechtgelegt.«
»Das habt Ihr also auch gesehen, ja?« Cayleb grinste ihn schief an, und sein Gesicht war schon nicht mehr ganz so aschfahl. »Ich habe mir gedacht, Ihr behaltet mich wahrscheinlich mit einer Eurer SNARCs ständig im Auge, ganz egal, wo Ihr gerade steckt.«
»Natürlich habe ich das! Nun, Ihr habt niemandem erzählt, um welche Art Nachricht es sich eigentlich gehandelt hat. Erklärt Euch auch jetzt einfach nicht, lasst es offen! Sollen doch ruhig alle glauben, Ihr hättet noch mehr Eisen im Feuer, als die, von denen sie wissen. Ohne Kenntnis vom Inhalt der Nachricht können alle in Eurer Umgebung ... sagen wir: kreativ werden und sich ausmalen, was sie wollen, je nach Stimmung, in der sie Euch antreffen.«
»Das wird bei jedem funktionieren - außer bei Nahrmahn«, gab Cayleb ein wenig säuerlich zu bedenken. Fragend hob Merlin eine Augenbraue, und Cayleb lachte leise in sich hinein.
»Versteht mich nicht falsch! Jedem, der mir erzählt hätte, ich würde eines Tages herausfinden, dass ich diesen Mann tatsächlich mag, hätte ich in aller Öffentlichkeit für verrückt erklärt. Aber es passiert: Ich mag den Prinzen wirklich. Es ist sogar eine echte Hilfe, mittels Eurer ›Visionen‹ bestätigt zu wissen, dass er ernstlich zu dem Schluss gekommen ist, seine beste Hoffnung bestehe darin, mir und Sharleyan treu ergeben zu sein. Aber dieser Mann ist teuflisch schlau!«
»Ich meine mich daran zu erinnern, Euch gegenüber dergleichen erwähnt zu haben«, bemerkte Merlin.
»Richtig. Aber worauf ich im Moment hinauswill, ist Folgendes: Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich bereits selbst hergeleitet hat, die Fähigkeiten eines gewissen Seijin Merlin seien sogar noch deutlich sonderbarer, als sämtliche Geschichten vermuten lassen, die zurzeit über ihn kursieren.«
»Es würde mich nicht im Mindesten überraschen, wenn Ihr damit Recht hättet.« Merlin zuckte die Achseln. »Eines der Probleme beim Hantieren mit einem besonders scharfen Messer besteht nun einmal darin, dass man aufpassen muss, wo man seine Finger hat.«
»Ich muss schon sagen, Ihr nehmt bemerkenswert ruhig auf, dass Nahrmahn uns auf die Schliche gekommen sein könnte!«
»Es hilft doch nichts, mich aufzuregen«, gab Merlin zu bedenken. »Nur mal angenommen, dieser Mann verfällt nicht in Panik, wenn er etwas mehr von der Wahrheit erfährt: Anschließend dürfte er beim Analysieren unserer Lage noch nützlicher sein als zuvor. Wir könnten ihn sogar mit noch mehr Daten versorgen als bisher.«
»Aha! Ihr zieht also ernsthaft in Erwägung, ihn zumindest in die Geschichte einzuweihen, die wir Payter und dem Rest der Abordnung erzählt haben, in die Visionsgeschichte?«
»Ja, genau. Ich halte es sogar für eine gute Idee, ihn jetzt hierher zu bitten.«
»Jetzt gleich?« Caylebs Augen weiteten sich, und wieder zuckte Merlin die Achseln.
»Solange wir uns vorher absprechen, welche Geschichte er zu hören bekommen soll«, sagte er und verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. »Schauen wir doch mal! Franz und der Rest der Abordnung bekommen zu hören, Ihr hättet mich ausgeschickt, um einen nicht näher benannten Agenten der Gegenseite zu kontaktieren. Das erfährt dann auch der Rest der Armee, sollten Fragen wegen meiner Abwesenheit gestern aufkommen. Genau dieselbe Geschichte erzählen wir auch Chermyn und dem Rest Eurer Offiziere. Das liefert uns gleichzeitig den Grund dafür, Nahrmahn hinzuzuziehen. Wen kann man besser bei Intrigen und Hinterhältigkeiten zu Rate ziehen als ihn? Nahrmahn hingegen erzählen wir, in Wirklichkeit hätte ich heute Morgen in meinem Zelt gesessen und eine Vision von Sankt Agtha gehabt. Wir erzählen ihm alles, was ich über diesen Mordversuch weiß und wer dahinter steckt. Dann fragen wir ihn, wie er darüber denkt und was er für das ratsamste Vorgehen hält. Und wir erklären ihm, diese Geschichte mit der Nachricht sei unsere offizielle Tarnung, und er solle jedem, der unklug genug sei, ihn darauf anzusprechen, einfach nur erklären, es stehe
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