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Cedars Hollow (German Edition)

Cedars Hollow (German Edition)

Titel: Cedars Hollow (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Schaefer
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verstrubbeltes Haar fiel ihm in die Stirn, seine Lippen hatte er leicht geöffnet. Ich rutschte ein bisschen näher an ihn heran, um sein Gesicht besser in Auge n schein nehmen zu können. Unter seiner blassen, fast transp a renten Haut zeichneten sich feine, beinahe unsichtbare Äderchen ab. Auf seinen Augenlidern waren sie am stärksten zu sehen.
    Alles in allem wirkte er mehr denn je wie ein einfacher Junge, nicht wie ein Vampir. Für mich fühlte es sich so an, als würde ich ihn schon seit langer Zeit kennen.
    „Was siehst du?“, fragte er leise.
    Einen Moment war ich zu eingeschüchtert, um zu an t worten. Aber die Art, wie er die Frage ausgesprochen hatte, ernst und neugi e rig, machte mir Mut.
    „Einen Jungen, der denkt, sein Leben sei nichts wert, weil er kein Mensch ist. Aber er hat Unrecht.“
    „Ach ja?“ Seine Lider flatterten.
    „Ja. Er ist menschlicher, als er glaubt.“
    Corvus öffnete die Augen und sah mich schweigend an. Ich glaubte schon, etwas Falsches gesagt zu haben, aber dann l ä chelte er, wenn auch etwas traurig.
    „Wenn du wüsstest, was du da sagst.“
    Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm. Seine häufigen Sti m mungswechsel und seine undurchsichtigen Bemerkungen waren e t was, an das ich mich nicht gewöhnen konnte.
    „Ich würde wirklich gerne wissen, was in dir vorgeht. Um dich be s ser zu verstehen.“
    Er presste die Lippen zu einem Strich zusammen, kratzte sich an der Stirn und sah an mir vorbei. „Es tut mir leid, dass es Dinge gibt, die ich dir nicht sagen kann. Ich würde gerne, aber ich fürchte …“ Er stockte.
    „Was?“ Es fiel mir schwer, nicht allzu aufgeregt zu klingen.
    Er senkte den Blick auf seine schmalen, fast schon zerbrechlich wirkenden Hände. Es war schwer, sich vorzustellen, dass er mit di e sen Händen gegen Dave gekämpft hatte, dass er mit ihnen versuchen würde, ihn zu töten.
    „Ich kann es dir nicht sagen“, sagte er mit einem Anflug von Ni e dergeschlagenheit. „Es gibt Dinge, die Menschen nicht b e greifen, Dinge, die du nicht über mich wissen solltest.“
    „Ich verstehe.“
    Er sagte nichts mehr dazu, und das war es, was am meisten wehtat. Als er endlich wieder sprach, klang seine Stimme vollkommen emot i onslos.
    „Ich sollte dich jetzt wohl besser nach Hause bringen.“
     
    Den ganzen Weg zurück nach Hause schwiegen wir. Ich war an Stille gewöhnt, aber in diesem Moment war sie kaum zu ertragen. Sie eri n nerte mich an das Schweigen meiner Mitschüler und an das meines Vaters, und es brachte die G e danken an meine Mutter zurück. Sie war immer so lebensfroh gewesen, ich hätte mir früher niemals vo r stellen können, dass sie einmal aus meinem Leben ve r schwinden könnte. Sie war immer so stark gewesen, ganz im Gege n satz zu mir. Wir hatten uns wie Zwillinge ergänzt, sie, die Fröhliche, und ich, die Ruh i ge.
    Corvus verabschiedete sich an der Haustür von mir. Ich ve r suchte, die freundliche Fassade aufrechtzuerhalten, damit hatte ich Erfa h rung. Ich wusste nicht, ob er meine Veränderung b e merkte.
    Ich wollte gerade reingehen, als Corvus mich zurückhielt. „Ich de n ke, wir sollten uns lieber nicht wiedersehen.“
    Es schmerzte, als hätte er mich angeschrien oder mir eine Nadel zwischen die Rippen gebohrt. Für einen Augenblick ve r gaß ich, zu atmen.
    „Wenn du es so willst.“ Meine Stimme klang sehr viel ruhiger, als mir zumute war.
    „Ja. Ich glaube, es ist so besser … für uns beide.“
    Ich nickte langsam; nicht, weil ich seiner Meinung war, sondern weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun können. So ging es mir sowieso sehr oft.
    Seine Miene war noch immer undurchdringlich. „Pass auf dich auf.“
    Warum? Hatte ich denn einen Grund, noch länger auf mich aufz u passen? „Ich werd’s versuchen“, sagte ich.
    Er schüttelte den Kopf. „Das reicht mir nicht.“
    „Wieso nicht?“ Mit einem Mal brach das, was ich bisher tief in meinem Inneren versteckt hatte, aus mir heraus. „Was kü m mert es dich, was mit mir passiert?“
    „Was es mich kümmert?“ In seinem Gesichtsausdruck lag jetzt Wut, und schlagartig wurde mir wieder bewusst, warum ich mich vor ihm gefürchtet hatte, als er mir zum ersten Mal über den Weg gela u fen war. Der mühsam unterdrückte Zorn in seinen funkelnden Augen war ziemlich eindrucksvoll.
    Mit einem Satz war er bei mir und umfasste mit seinen kalten Fi n gern meine Handgelenke. Ich konnte seinen Atem riechen, eine M i schung aus Rauch und etwas anderem. Sein Duft

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