Cedars Hollow (German Edition)
stieg mir zu Kopf, und mir wurde angenehm schwummrig.
„Ich mache das hier nicht für irgendjemanden“, sagte er. Er schien seine Wut nur mit Mühe im Zaum halten zu können. Seine Finger zitterten. „Wenn Dave dich erwischt …“
„Was?“, hauchte ich und machte ein paar Schritte rückwärts, bis ich die Hausmauer im Rücken hatte.
Er ließ meine Hände ruckartig los und presste seine Handfl ä chen links und rechts neben meinem Kopf gegen den Putz der Hauswand. Wie beim letzten Mal, als er das getan hatte, spürte ich, wie langsam Panik in mir aufstieg, aber diesmal vermischte sich dieses Gefühl mit einem anderen, noch stärkeren, das mir fremd war.
„Ich tue das hier für dich“, flüsterte er, und sein Atem streifte me i ne Wange.
Irgendwo in meiner Magengegend zog und zer r te etwas, und ich spürte, wie ein Strom von Wärme durch me i nen Körper sickerte. War das, was ich empfand, wirklich nichts anderes als Panik? Aber woher kam dann der Wunsch, an diesem Augenblick festzuha l ten?
„Ich lasse nicht zu, dass du dich in Gefahr bringst“, sagte er. „Klar?“
Ich nickte hastig. Im nächsten Moment stieß er sich von der Mauer ab und wich zurück. „Gut“, sagte er, ein frostiges L ä cheln auf den Lippen.
Dann drehte er sich um und ging davon. Ich stand noch eine ganze Weile reglos da und versuchte, meinen Atem wieder u n ter Kontrolle zu bringen. Mit fahrigen Fingern schloss ich schließlich die Tür auf und ging ins Haus.
Mein Vater saß im Wohnzimmer auf dem Sofa, scheinbar versu n ken in die Fernsehnachrichten, aber der leere Ausdruck in seinen Augen verriet mir, dass er mit den Gedanken woanders war. Er b e merkte nicht, wie ich das Haus betrat und nach oben in mein Zimmer ging.
Ich schaltete meinen CD-Player ein, warf mich aufs Bett und ve r grub das Gesicht frustriert in meinem Kissen. Die vertraute Musik meiner Lieblingsband ließ mich langsam wieder ruhiger werden. Mit aller Kraft versuchte ich, nicht über das soeben Erlebte nachzude n ken, aber immer wieder geisterten Fe t zen des Gesprächs mit Corvus durch meinen Kopf.
Ich drehte mich auf den Rücken und schloss die Augen, doch noch immer drang das Tageslicht viel zu hell an sie.
Schließlich stand ich wieder auf und ging ins Bad, um heiß zu d u schen. Langsam fiel die extreme Anspannung von mir ab, und ich beruhigte mich. Während ich mir die verstrubbelten Haare durc h bürstete, warf ich einen Blick in den Spiegel.
Dunkle Ringe lagen unter meinen Augen, und ich sah noch blasser aus als sonst. Meine Wangen waren hohl. Ich war schon immer eher dünn gewesen, aber niemals so mager wie jetzt; seit Moms Tod hatte ich abgenommen. Es war, als sträubte sich mein Körper dagegen, weiterzumachen.
Ich öffnete den Badezimmerschrank und durchforstete ihn nach den Schlaftabletten, die mein Dad darin aufbewahrte. Als ich sie g e funden hatte, nahm ich zwei und schluckte sie mit Wasser aus dem Hahn hinunter, wobei ich mich schuldig fühlte. So etwas machte ich normalerweise nie.
Zurück in meinem Zimmer ließ ich mich wieder aufs Bett fallen und richtete meinen Blick auf die Zimmerdecke. Ich suchte im Mu s ter der Tapete nach Bildern, wie ich es als Kind oft g e tan hatte. Aber diesmal ließ meine Fantasie mich im Stich.
Es hatte zu regnen begonnen. In monotonem Singsang trö p felte das Regenwasser gegen die Fensterscheibe. Normalerweise schlief ich gerne bei Regen ein, aber heute half es mir nicht.
Nur sehr langsam trat die Wirkung der Tabletten ein und ve r sprach mir einen traumlosen Schlaf. Langsam vermischte sich der Klang des Regens mit der Musik aus meinem CD-Player und bildete so ein ei n töniges Hintergrundgeräusch, bis ich ei n genickt war und Stille mich umfing.
Kakao und Regen
A ls ich wieder aufwachte, brauchte ich eine Weile, um zu b e greifen, wo ich war. Benebelt setzte ich mich auf und rieb mir die Augen. Draußen war es dunkel. Erstaunt stellte ich fest, dass ich offensich t lich den ganzen Samstag verschlafen hatte. Ein Blick auf die Leuch t anzeige meines Weckers ve r riet mir, dass es halb zehn am Abend war.
Ich ließ mich zurück aufs Bett fallen und versuchte, wieder einzuschlafen, doch daran war nicht mehr zu denken. Ich war zu aufgewühlt, denn sofort stürmten wieder die Erinnerungen auf mich ein.
Stöhnend rieb ich mir die Stirn, stand auf und ging ans Fen s ter, um es zu öffnen. Die Luft draußen war kühl und feucht, doch ich atmete sie gierig ein. Langsam lüftete sich
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