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Cedars Hollow (German Edition)

Cedars Hollow (German Edition)

Titel: Cedars Hollow (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Schaefer
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Und dann passierte es.“
    Corvus richtete sich auf und ging wieder rastlos im Zimmer auf und ab. Ich merkte, wie auch ich unruhig wurde. Obwohl die G e schichte längst passiert war, hätte ich ihn am liebsten vor der Gefahr gewarnt. Wieso war er bloß alleine gegangen?
    Ich beugte mich ein wenig vor, um nichts von seiner Erzä h lung zu verpassen. Corvus atmete tief durch, ehe er weite r sprach.
    „Ich begegnete einem Vampir. Natürlich wusste ich damals nicht, was er war, ich hielt ihn sogar für einen Gentleman, weil er so fein gekleidet war. Er fragte mich, ob ich ihm bei etwas behilflich sein könnte, und ich bejahte.“
    Nein, tu’s nicht!, wollte ich rufen, doch gleichzeitig regten sich auch noch andere, widersprüchliche Gefühle in mir. Einerseits hoffte ich noch immer, dass Corvus vor seinem Schöpfer würde fliehen kö n nen, obwohl das natürlich unsinnig war. Andererseits war da diese G e wissheit: Wenn Corvus vor dem Vampir hätte fliehen können, hätte ich ihn nie kennengelernt. Sollte ich seinem Schöpfer also dankbar sein? Oder sollte ich mich schämen, weil ich überhaupt d a ran dachte?
    Corvus fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dann ve r schränkte er seine Finger ineinander und heftete den Blick auf sie.
    „Ich hätte es nicht tun sollen“, fuhr er fort. „Er biss mich und trank so viel von meinem Blut, dass ich beinahe gestorben w ä re. Dann gab er mir von seinem eigenen Blut zu trinken, und weil ich so g e schwächt war und mich nicht wehren konnte, gelangte eine ganze Menge davon in meinen Organismus. Er ließ mich in einer Seitenga s se liegen und ve r schwand. Ich war zu schwach, um mich zu rühren, aber i r gendwann kam der Schmerz. Mir war, als hätte man meinen Körper in Eiswasser getaucht, und ich wollte nichts als ste r ben. Aber natürlich starb ich nicht. Stattdessen veränderte ich mich.“
    Es kam mir so vor, als würde ich Corvus’ Schmerzen durch seine Erzählung am eigenen Leib spüren. Wäre ich damals bei ihm gew e sen, hätte ich alles getan, um ihm zu helfen, und ich wünschte mir, es wäre so gewesen. Doch ich war seiner G e schichte ausgeliefert, ich konnte nichts an ihr ändern.
    Corvus warf mir einen grimmigen Blick zu, ehe er weitersprach. „Ich krümmte mich vor Schmerz und hatte das Gefühl, als würde mein Körper sich ausdehnen. Ich spürte, wie meine Zähne glatter wurden und wie mein Kiefer sich verfestigte. Meine Haut veränderte sich. Mein Blick wurde schärfer, meine Reaktionsgeschwindigkeit wuchs. Tausende von neuen Sinne s eindrücken stürmten auf mich ein. Ich konnte das Blut der Menschen riechen, die die Straßen bevölke r ten, ich konnte ihre Stimmen schon aus weiter Entfernung h ö ren. Am Anfang machten meine neuen Fähigkeiten mich fast wahnsinnig.
    Auch meine körperlichen Kräfte nahmen zu. Ich entdeckte, dass ich Steine zwischen meinen Fingern zu Staub zermahlen kon n te. Du kannst dir nicht vorstellen, wie groß meine Angst war. Ich fürchtete mich vor mir selbst und wollte ste r ben, dieses merkwürdige Etwas, zu dem ich geworden war, einfach auslöschen. Aber irgen d wann begriff ich, dass das nicht möglich war. Ich war unsterblich geworden.“
    Ich konnte nachvollziehen, dass er sich vor sich selbst g e fürchtet und sich gewünscht hatte, sterben zu können. Unsere Gefühle lagen näher beieinander, als ich anfangs geglaubt hatte, und ich war froh, dass er hier war, so froh, dass er nicht aufgegeben hatte. Es schmer z te, dieses plötzliche, unerwartete Glück.
    „Was ist dann passiert?“
    „Was passieren musste. Ich bekam Hunger. Während ich noch in der Gasse lag, drang der Geruch von Blut an meine Nase. Noch nie zuvor hatte ich eine solche Gier empfunden.“ Er krallte die Fi n ger in seinen Unterarm. „Der fremde Vampir hatte mich zurückg e lassen, ohne mich vorher aufzuklären. Das war ziemlich grausam von ihm.“
    „Weißt du, wer er war?“ Ich war wütend auf den Fremden, wütend darüber, dass er Corvus einfach sich selbst überlassen hatte.
    „Nein, und ich werde es wahrscheinlich nie herausfinden. Es spielt auch keine Rolle. Nicht mehr.“ Er schwieg, und ich ve r mutete, dass er in die Ereignisse des Jahres 1913 versunken war. „Wie dem auch sei, ich gewöhnte mich an mein neues Leben, wollte aber nicht in London bleiben. Überall, wo ich hinkam, wurde ich an mein früheres Leben erinnert. Manchmal lief ich den Studenten über den Weg, mit denen ich befreundet gew e sen war. Einmal sah ich meinen Vater in einer

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