Celinas Tochter
mehr unter ihm. Ihre Augen waren nicht mehr feindselig, sie glänzten vor unvergossenen Tränen.
»Ich schaute durch ihr Schlafzimmerfenster, die Lichter
brannten, aber Celina war nicht da. Ich klopfte ans Fenster. Sie reagierte nicht, ich sah jedoch ihren Schatten an der Badezimmerwand, durch die Tür, sie stand ein Stück offen. Ich rief ihren Namen. Ich wuÃte, daà sie mich hören muÃte, aber sie wollte nicht rauskommen. Dann...«
Er kniff die Augen zu, bià die Zähne zusammen und fuhr fort: »Ich wurde allmählich sauer, weil ich dachte, sie will mich ärgern. Sie öffnete die Badezimmertür ein Stück weiter, und ich sah sie da stehen.
Ein paar Sekunden lang bemerkte ich nur ihr Gesicht, weil es so lange her war, seit ich sie gesehen hatte. Sie starrte mich an. Sie sah verwirrt aus, als wolle sie fragen: âºWas jetzt?â¹ Und dann entdeckte ich das Blut. Sie trug ein Nachthemd, und die untere Hälfte war voller Blut.«
Alex schloà die Augen. Zwei riesige Tränen rollten unter ihren zitternden Lidern hervor auf Reedes Finger.
»Ich hab eine ScheiÃangst gekriegt«, sagte er heiser. »Irgendwie bin ich ins Haus gekommen, hab vergessen, wie. Ich glaub, ich hab die Fenster hochgeschoben und bin reingestiegen. Auf jeden Fall war ich ein paar Sekunden später drinnen und hab sie im Arm gehalten. Wir landeten beide auf dem Boden, sie ist einfach zusammengebrochen.
Sie wollte mir nicht sagen, was los war. Ich schrie sie an, schüttelte sie. SchlieÃlich legte sie den Kopf auf meine Brust und flüsterte âºBabyâ¹. Dann wurde mir klar, was das Blut bedeutete und woher es kam. Ich hab sie einfach aufgehoben, bin rausgelaufen und hab sie in meinen Wagen gelegt.«
Er hielt kurz inne, um sich zu fangen. Nach einer Weile sprach er ruhiger weiter.
»Da war dieser Arzt in der Stadt, der heimlich Abtreibungen machte, aber keiner hat drüber geredet, weil Abtreibungen in Texas damals noch illegal waren. Ich hab sie zu ihm gebracht und Junior angerufen und ihm gesagt, er soll Geld mitbringen. Wir haben uns dort getroffen. Er und ich saÃen im Wartezimmer, während der Arzt sie zusammengeflickt hat.«
Er sah hinunter zu Alex, sehr lange, bis er schlieÃlich die Hand von ihrem Mund nahm. Sie hatte eine weiÃe Druckstelle auf der unteren Hälfte ihres Gesichts hinterlassen, das ohnehin aschfahl war. Ihr Körper lag jetzt unter seinem so reglos wie der Tod. Er wischte die Tränen mit seinen Daumen von ihren Wangen.
»Sie werden in der Hölle schmoren, wenn Sie mich angelogen haben«, flüsterte sie.
»Hab ich nicht. Fragen Sie Junior.«
»Junior würde auch behaupten, der Himmel wäre grün, wenn Sie das verlangten. Ich werde den Arzt fragen.«
»Er ist tot.«
»Das hätte ich mir denken können«, sagte sie mit einem schrillen Auflachen. »Womit hat sie denn versucht mich umzubringen?«
»Alex, nicht!«
»Sagen Sieâs mir.«
»Nein.«
»Was war es?«
»Sagen Sieâs mir, verdammt noch mal.«
»Die Stricknadel deiner GroÃmama.«
Er schrie das hinaus, die plötzliche Stille hinterher war ohrenbetäubend.
»Oh, mein Gott«, wimmerte Alex, bià sich in die Unterlippe und drehte ihren Kopf in die Kissen »Oh, mein Gott.«
»Schsch, nicht weinen. Celina hat dich nicht verletzt, nur sich selbst.«
»Aber sie wollte es. Sie wollte nicht, daà ich auf die Welt komme.« Sie schluchzte so heftig, daà ihr ganzer Körper bebte. Er fing das mit seinem auf. »Warum hat mich der Arzt nicht einfach rausgeholt, als er sie zusammenflickte?«
Reede gab keine Antwort.
Alex drehte den Kopf, dann packte sie ihn am Hemd. »Warum, Reede?«
»Er hat es vorgeschlagen.«
»Warum hat er es dann nicht getan?«
»Weil ich geschworen habe, ihn umzubringen, wenn er es täte.«
Emotionen regten sich wie ein wärmender Lufthauch zwischen ihnen. Sie lieÃen ihren Atem stocken, und ihre Brust begann zu schmerzen. Sie stieà einen unartikulierten Laut aus. Ihre Finger lieÃen zuerst sein Hemd los, dann krallte sie sich fester hinein und zog ihn näher. Ihr Rücken bäumte sich noch einmal auf, nicht um ihn abzuwerfen, sondern um ihm näher zu kommen.
Er grub seine Finger in ihr Haar, neigte seinen dunkelblonden Kopf und drückte seinen offenen Mund auf ihren. Ihre Lippen waren geöffnet, feucht und
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