Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
nötig.
„Bereite Wasser zum Waschen und Rasieren vor! Es wird Zeit, dass ich mich wieder in einen zivilisierten Menschen verwandle. Und wirf diese Tunica weg, am besten verbrenne sie!“
Dann nahm er seinen Stock auf und machte sich auf, um Drusillus zu treffen und mit ihm die Arbeit für den „Ruhetag“ zu besprechen. Die ganze Legion war zur Inspektion angetreten. Lucius schritt die Reihe seiner Centurie ab und musterte Schild, Kettenhemd und Ausrüstung sorgfältig. Hin und wieder hörte man das unverkennbare Geräusch einer Vitis, die auf den Körper eines Legionärs traf. Ein Zeichen, dass ein anderer Centurio einen Missetäter erwischt und eine Schlamperei bestraft hatte. Lucius nutzte seine Vitis in der Regel nur als Zeigestock und tippte auf die entdeckten Unregelmäßigkeiten; Schilde und Schwerter, die nicht richtig gesäubert waren, ein schadhaftes Kettenhemd oder
caligae
, in denen Nägel fehlten. Drusillus, der ihn mit einer Schreibtafel begleitete, notierte die Namen der Missetäter und die von Lucius verhängten Strafen.
„Einen neuen!“, hörte man Centurio Fastidius brüllen. Lucius warf einen Blick zur 10. Kohorte hinüber und sah, wie Fastidius seine Einheit inspizierte. Wie immer folgte ihm sein Optio mit einem Bündel Ruten unter dem Arm. Fastidius hatte ein jähzorniges Temperament, und so ging schon mal die eine oder andere Vitis auf dem Rücken eines Legionärs zu Bruch. Sein Optio hatte sich angewöhnt, ihm einen Vorrat an Stöcken hinterherzutragen und ihm auf den Ruf „Einen neuen!“ einen weiteren zu reichen.
Nach den Waffen überprüften sie Zelt und Ausrüstung und die eisernen Rationen.
„Wieso ist euer Getreidevorrat so gering?“, fuhr Lucius ein Contubernium an.
„Wir sind halt starke Esser, Centurio!“, sagte einer der Männer entschuldigend.
„Red keinen Quatsch!“, blaffte Lucius. „Wenn ihr mich auf den Arm nehmen wollt, müsst ihr früher aufstehen.“ Er machte eine Pause. „Ihr habt es heimlich weggeschüttet, um euer Gepäck zu erleichtern!“, sagte er ihnen auf den Kopf zu und sah sich bestätigt, als sie verlegen seinem Blick auswichen. „Wenn beim nächsten Mal wieder so viel fehlt, werdet ihr auf Gerste gesetzt!“, sagte er bestimmt und Drusillus machte sich eine Notiz.
Lucius’ Laune besserte sich deutlich, als vor dem Lichterlöschen Voluminius bei ihm vorstellig wurde und inständig bat, von der geplanten Versetzung zur III Augusta abzusehen und ihnen auf dem Feldzug noch eine Chance zu geben. Lucius versprach ihm widerwillig, eine Eingabe beim Legaten zu machen. Er überlegte, wie er das wohl anstellen sollte, brauchte sich aber gar keine weiteren Gedanken zu machen, denn einige Tage, nachdem Cambodunum kapituliert hatte und als sie gerade dabei waren, die Ballisten und Katapulte aufzustellen, erschien auf einmal der Tribun Quirinius bei ihnen. Er sah einen Augenblick den Arbeiten zu, dann trat er zu Lucius und nickte in Richtung Voluminius: „Und?“
Lucius berichtete von dem Gesuch und Quirinius ging mit einem breiten Lächeln weiter.
Das war aber nicht die letzte Überraschung, die Lucius an diesem Tag erwartete. Als er abends sein Zelt betrat, deutete Ajax stumm auf einen Weinschlauch, der auf dem Tisch lag.
„Vom Legaten selbst!“, sagte er beinahe ehrfürchtig und hielt ihm einen Brief hin.
Lucius zog die Schriftrolle auseinander. Der Inhalt war kurz:
„Vom Legaten Publius Quintilicius Varus an Centurio Marcellus, damit sein Gaumen sich erfreue. Falls deine Geschmacksnerven durch Posca total verdorben sind und du es nicht schmecken solltest: Es ist Falerner. Gruß, Varus“
Er starrte den Schlauch ungläubig an, dann öffnete er den Verschluss und schenkte sich einen kleinen Schluck ein. Vorsichtig nippte er an dem Becher und – beim Bacchus! – was für ein Geschmack! Er seufzte genussvoll. Dieser Wein war ein Geschenk der Götter an die Menschen. Er schüttete einen Schluck vor dem Lararium auf den Boden. Danach verschloss er den Schlauch sorgfältig und vertraute ihn wieder Ajax an.
„Den gibt es nur zu besonderen Gelegenheiten!“, entschied er und warf einen Blick zum Himmel. „Hm, noch mindestens eine Stunde Tageslicht,“ schätzte er. „Da habe ich noch Zeit, einige Briefe zu schreiben. Quintus und Appius denken sicher schon, ich sei in den Wäldern verloren gegangen.“
Er suchte sich ein Blatt Pergament heraus und setzte sich vor dem Zelt an den Tisch.
Lieber Quintus, ich schreibe dir vor Cambodunum aus dem
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