Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
sie erkennen, wie die Honoratioren die Curie verließen und sich davor zum Zug formierten. Vorneweg gingen die Duoviri, die anderen neu gewählten Magistrate und die Vigintiviri, dahinter die Decurionen. Sie marschierten über das Forum und stiegen die Treppe zum Tempel des Jupiter Optimus hinauf. Lucius sah unter den Vigintiviri Gaius, dessen Miene seine Anspannung verriet.
Gaius schien Lucius’ Blick zu spüren. Er sah suchend in seine Richtung und zwinkerte ihm kurz zu, als er ihn entdeckt hatte.
Der Zug der Honoratioren erreichte den Hof, wo sich die Männer um den Altar versammelten, an dem bereits die Ponitifices und der
flamen Augusti
warteten. Nachdem alle Aufstellung genommen hatten, führten die Gehilfen der Priester einen weißen Stier nach vorn. Die Duoviri traten vor und nahmen bei dem Stier Aufstellung. Die beiden Musiker, die zu ihrem Stab gehörten, begannen auf der Flöte zu blasen, um unerwünschte Nebengeräusche zu übertönen. Die Duoviri zogen sich die Togen über den Kopf und begannen, die Beschwörungen zu rezitieren und den Wein auf das Tier zu schütten. Dann zogen sie mit dem Opfermesser den symbolischen Strich vom Kopf bis zum Schwanz des Stieres.
Der Opfergehilfe schwang seinen Hammer und traf den Stier auf der Stirn. Der Stier senkte benommen den Kopf und knickte ein. Dies nahm der Gehilfe als sein Einverständnis und rammte dem Opfertier das Schwert in den Nacken. In einem Schwall von Blut stürzte der Stier zu Boden. Er zuckte noch einige Male und lag dann still. Jetzt traten die Haruspexe der Duoviri vor, schlitzten den toten Stier auf und begannen die Eingeweide zu untersuchen. Nach einer kurzen Beratung nickten die Eingeweideschauer zufrieden. Dann entnahmen sie Leber, Galle, Lunge und Herz und verbrannten sie mit einigen weiteren Fleischstücken auf dem Altar.
Nachdem die Auguren offiziell verkündet hatten, dass die Zeichen gut standen, konnten die Duoviri vor dem Imago des Augustus unter der Aufsicht des
flamen Augusti
ihren Eid ablegen.
Lucius folgte der Amtseinführung voller Faszination. Bald würde auch er den Eid auf das Imperium leisten.
DIE • TOGA • DER • MÄNNER
ARAUSIO
Der Traum der letzten Tage kam auch in dieser Nacht wieder: Lucius versuchte, seine Toga anzulegen, doch obwohl er es wieder und wieder geübt hatte, wollte es ihm nicht gelingen. Er konnte sich plötzlich nicht mehr erinnern, ob er sie zuerst über die linke oder über die rechte Schulter legen musste. Und dann? War es hinten am Rücken herunter und über die Achsel nach vorne? Oder war es unter der Achsel hindurch? Er spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Endlich hatte er sie irgendwie angelegt und versuchte seinen ersten Schritt. Prompt verhedderte er sich, geriet ins Stolpern und fiel, in seine Toga verstrickt, seinem Vater vor die Füße. Die Gäste brachen in höhnisches Gelächter aus, während Gaius beschämt wegsah. Sein Vater beugte sich mit wutverzerrtem Gesicht über ihn und riss ihm die Toga weg.
„Du bist der Toga der Männer nicht würdig. Geh hinaus zu den Kindern, wo du hingehörst!“
Das Gelächter der anderen wurde immer lauter. Schließlich rollten sie ihn einfach in seine Toga gewickelt zur Tür hinaus.
Lucius fuhr auf. Er lag mitten im Zimmer. In seine Schlafdecke gewickelt war er aus dem Bett gefallen und über den kühlen Fußboden gerollt.
Erleichtert ließ er sich zurücksinken. Nur ein Traum! Es störte ihn nicht, auf dem Boden zu liegen. Sein Blick wanderte hinüber zu der Kleidertruhe. Dort lag die Toga mit dem Purpurstreifen, die
toga praetexta
, und eine einfache, weiße
toga pura
. Die weiße Toga war es, auf die er so lange gewartet hatte: die
toga virilis
, die Toga der Männer.
Morgen war der große Tag. Ganz Arausio würde die Liberalien feiern, ein Bacchus-Fest, und er würde endlich zu den Erwachsenen gehören. Mit diesem Gedanken schlief er wieder ein.
Ein Rütteln an seiner Schulter weckte ihn. Es war Stephanos. „Steh auf, Lucius! Du willst doch nicht zu spät zu deiner eigenen Feier kommen, oder?“
Lucius lag noch immer mitten im Zimmer. Schnell schüttelte er die Schlafdecke ab und sprang auf. Stephanos sah sich seinen Schlafplatz schmunzelnd an. „Wilde Träume, wie? Oder wolltest du dich schon einmal an das Leben eines Soldaten gewöhnen?“
Lucius lachte, während er seine Tunica zusammenraffte und gürtete.
„Ein Bad wartet auf dich“, fuhr Stephanos fort und mit einem bedeutungsvollen Blick: „Ich soll dich
Weitere Kostenlose Bücher