Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
zurückzugewinnen, ist, die Grundausbildung in der Legion zu überstehen und deinen Eid als Centurio abzulegen. Von diesem Tage an darfst du das Haus wieder als achtbares Mitglied der Familie betreten
.
Alles, was du zum Essen brauchst, wird dir Sergius stellen. Wenn du mehr willst, verdiene es dir durch Arbeit
.
Nach der Schmach, die du uns in Massilia bereitet hast, fehlt mir der Glaube daran, dass du das Zeug zum Centurio hast. Solltest du in der Grundausbildung scheitern, kannst du als Miles bei der Legion bleiben oder den Rest deines Lebens auf unserem Hof arbeiten
.
Vale
Gnaeus Marcellus
Schweigen, Stille. Lucius nahm nichts um sich herum wahr. Als ob er plötzlich taub geworden sei. Das Quietschen der Räder, die Rufe der Händler, nichts drang zu ihm durch.
Er fühlte sich betäubt und stand regungslos da wie ein Opfertier, dem man mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen hatte. Tränen stiegen in ihm auf, die er aber krampfhaft zu unterdrücken versuchte. Die Genugtuung würde er seinem Vater nicht geben. Hector beobachtete ihn aufmerksam und in seinen dunklen Augen war kein Funken Mitgefühl oder Anteilnahme zu entdecken. Bestimmt war er angehalten, jede Äußerung und Gefühlsregung von Lucius zu registrieren und zu berichten. Er reichte Lucius die Zügel eines bepackten Maultieres: „Zelt und Verpflegung für drei Tage!“, war alles, was er sagte. Lucius sah einen Moment lang schweigend auf ihn herunter und musterte das ausdruckslose Gesicht. Dann lenkte er sein Pferd auf das Stadttor zu. Hektor machte wortlos einen Schritt zur Seite und blockierte den Weg. Wut stieg in Lucius auf, am liebsten hätte er den alten Mann einfach umgeritten, aber das würde sein Problem nicht lösen.
„Mach Platz, du Idiot!“, knurrte eine Stimme hinter ihm. „Steh hier nicht rum wie dein eigenes Denkmal!“ Lucius wurde bewusst, dass sie die Straße blockierten.
„Und wenn ich nicht weiterreise?“, fragte Lucius mit hoher Stimme. „Wenn ich die Stadt trotzdem betrete und bei einem meiner Freunde unterkomme?“
Hector schwieg immer noch, aber dann, ganz langsam, hob er seinen rechten Arm und zeigte eine flache Hand. Zwei kräftige Männer reagierten und führten eine Kutsche, die am Wegesrand gestanden hatte, herbei. „Du wirst die Stadt nicht betreten!“, sagte Hektor mit Nachdruck. „Oder willst du verstoßen werden?“
„Was ist mit meinen ganzen Sachen, meinen Büchern?“
„Deine Sachen?“, fragte Hektor gedehnt und zog die Augenbrauen hoch. „Nach dem Gesetz gehört alles dem
pater familias
!“
Am liebsten hätte Lucius vor Wut geschrien. Das war Diebstahl, scheiß drauf, was im Gesetz stand! Natürlich gehörte der gesamte Familienbesitz dem
pater familias
, aber spätestens, wenn jemand die Toga der Männer angelegt hatte oder seinen eigenen Lebensunterhalt verdiente, machte ein
pater familias
dieses Recht nicht mehr geltend. Am liebsten würde er es darauf ankommen lassen, aber Gesetz und Tradition waren auf der Seite seines Vaters. Besonders jetzt, da Augustus die alten Werte wieder beschwor. Lucius warf Servius einen fragenden Blick zu. Der wandte sich verlegen ab. Wortlos wendete Lucius sein Pferd zur Seite.
Jeder Knochen im Leib tat ihm weh. Der sogenannte weiche Boden entpuppte sich, wenn man eine Nacht darauf schlief, als knochenhart, daran änderte auch das Stroh nichts. Er kramte nach seinen Waschutensilien und kroch aus dem Zelt. Auf dem Weg zu dem Bach, an dem er sich jeden Morgen wusch, sah er zu den Wolken, die Regen versprachen. Von seinem Platz am Bach aus konnte er das Haupthaus sehen, das er nicht betreten durfte. Die rauchenden Kamine versprachen Wärme und Komfort. Ein heißes Bad, er hätte nie gedacht, dass ihm ein heißes Bad so sehr fehlen würde. Auf dem Rückweg vom Feld sah er Saxum auf sich zukommen. Lucius stöhnte laut auf, als er die Briefrolle in seiner Hand sah. Waren schon wieder neun Tage vergangen? Der Tag der Musterung und damit der Tag, an dem er in die Legion eintreten sollte, wollte und wollte nicht näher kommen. Aber den Brief seines Vaters, der ihm auf dessen Befehl einmal die Woche vorgelesen wurde, musste er jedes Mal aufs Neue ertragen. Jupiter sei Dank war wenigstens sein Aufpasser abgereist! Hektor hatte wochenlang darüber gewacht, dass niemand es wagte, die Anordnungen seines Vaters zu übertreten, und war dann zurück nach Arausio gereist. Vorher hatte er jedem auf dem Hof genauestens klargemacht, was Vaters Befehle beinhalteten und was jeder
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