Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
Lucius, den Tränen nah. „Ein Griff unter die Gürtellinie ist nicht erlaubt!“
„Was für ein Schwachkopf!“, knurrte der dritte Mann, der bisher noch kein Wort gesagt hatte.
Der Wirt packte Lucius hart an der Schulter. Der spürte deutlich die Schwielen an der Pranke dieses Mannes. „Das hier ist kein Ludus oder eine Arena, wo nach Regeln gekämpft wird, sondern dies ist das Leben. Im Leben und in der Legion gibt es nur eine Regel: Der Stärkste überlebt! Lerne das, und zwar schnell!“ Er stieß ihn auf die Bank. „Hol ihm noch einen Becher Posca!“, sagte er zu seiner Tochter und wandte sich dann an den Dritten: „Camillus, ich glaube, deine Hilfe wird nicht mehr gebraucht.“
Der Camillus genannte, ein aufgeschwemmter, dicklicher Mann, dessen rote Nase ihn als Liebhaber des Weines auswies, nickte und schnappte sich ein Bündel vom Tisch.
War er Arzt?, fragte sich Lucius benommen. Wo will so ein Trunkenbold denn Medizin gelernt haben? Er war doch bestimmt kein Grieche.
Krateros drückte auch diesem Mann ein Geldstück in die Hand. Mit einem „Immer wieder gern“ watschelte Camillus zur Tür hinaus. Lucius saß wie ein Häufchen Elend in sich zusammengesunken auf der Bank.
An eine sofortige Rückreise war nicht zu denken, da Lucius sich erholen musste. Krateros versprach, die Verträge per Boten vorab nach Arausio zu schicken, um sie so schnell wie möglich von Gnaeus Marcellus unterschreiben zu lassen. Als Lucius endlich aufbrach, hatte er immer noch Schmerzen beim Wasserlassen. Das war aber nichts gegen seinen verletzten Stolz. Da trainierte er seit Jahren und wurde bei der ersten ernsthaften Auseinandersetzung verprügelt und ausgeraubt. Von Kindern! Wenn das seine Freunde erfuhren, würden sie ihn auslachen. Von anderen in Arausio ganz zu schweigen. Missmutig und kleinlaut ritt er zurück. Mit Servius wechselte er schon seit Tagen kaum ein Wort. Als Arausio in Sicht kam, überlegte er zum ersten Mal, wie er diese schändliche Begebenheit seiner Familie erzählen sollte. Sein Vater würde außer sich sein.
Vor dem Tor herrschte das übliche Gedränge von Händlern, die Marktgebühren sparen wollten, Reisenden und Bettlern. Zu seiner Überraschung erkannte er in der Menge Hector, den Freigelassenen und Vertrauten seines Vaters. Er lehnte an einem der Grabmäler und musterte die Reisenden. Als er Lucius erblickte, löste er sich von seinem Platz und ging auf ihn zu. Lucius sah, dass er einen Brief in der Hand hielt. Gruß- und wortlos streckte ihm der Freigelassene das Schriftstück entgegen.
Lucius’ Herz klopfte bis zum Hals und sein Mund war trocken, als seine Hände den Brief nahmen. Mit bebenden Fingern erbrach er das Siegel und erkannte die Handschrift seines Vaters.
Salve Lucius Marcellus
,
Krateros hat mir berichtet, was passiert ist und wie jämmerlich du dich von ein paar Straßenkindern hast berauben lassen
.
Als sei dies nicht schon Schande genug, hast du auch noch wie ein Weib gejammert und tagelang im Bett gelegen, als ob du schwer verletzt wärest
.
Du hast mich als deinen
pater familias
enttäuscht und beschämt, du hast deinen Bruder enttäuscht und beschämt. Unsere Familienehre ist durch dich besudelt. Bevor du diesen Makel nicht getilgt hast, verbiete ich dir das Haus
.
Alles verschwamm vor seinen Augen.
DER • RUF • ZU • DEN • ADLERN
Salve Lucius Marcellus
,
Krateros hat mir berichtet, was passiert ist und wie jämmerlich du dich von ein paar Straßenkindern hast berauben lassen
.
Als sei dies nicht schon Schande genug, hast du auch noch wie ein Weib gejammert und tagelang im Bett gelegen, als ob du schwer verletzt wärest
.
Du hast mich als deinen
pater familias
enttäuscht und beschämt, du hast deinen Bruder enttäuscht und beschämt. Unsere Familienehre ist durch dich besudelt. Bevor du diesen Makel nicht getilgt hast, verbiete ich dir das Haus. Einzig auf dem Hin- und Rückweg zur Musterung erlaube ich dir, eine Nacht in unserem Haus zu verbringen. Ansonsten wirst du direkt von Massilia aus zu unserem Hof reisen und dort deine Vorbereitung für die Legion fortsetzen. Da du ganz offensichtlich jämmerlich verweichlicht bist, wirst du nur noch im Zelt wohnen. Das Haupthaus soll dir verboten sein. Sollte der Winter zu kalt werden, darfst du in einem der Geräteschuppen übernachten. Du wirst dir dein Essen selbst zubereiten und du wirst hart trainieren, so hart, wie du niemals vorher trainiert hast. Deine einzige Möglichkeit, die Achtung deiner Familie
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