Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
ging zur Tür. „Du gibst doch Gehörtes oder Gelesenes als dein Wissen aus und spielst dich hier als Klugschwätzer auf!“
„Leck mich!“, sagte Lucius und starrte die Wand an.
„Carvus liegt im Lazarett!“, meldete drei Tage später Mellonius aufgeregt.
Also doch, dachte Lucius. „Was ist passiert?“, fragte er laut und ahnte die Antwort schon im Voraus.
„Angeblich ist er aus dem Bett gefallen!“, schimpfte Mellonius und versetzte dem Schemel einen Tritt. „Aus dem Bett gefallen! Die sind über ihn hergefallen und haben ihn zusammengeschlagen! Er sollte das melden!“
„Bei Plutos Arsch, hast du sie noch alle?“, fragte Lucius entsetzt. Seine beiden Zimmergenossen waren wirklich unbelehrbar! „Du bist hier nicht auf dem Forum, sondern in der verdammten Legion. Wenn du deine Kameraden denunzierst, wirst du ziemlich schnell ziemlich tot sein!“
Mellonius ließ sich auf einen Schemel fallen. „Du wirst sehen!“, bemerkte er düster. „Wir sind die Nächsten. Vulso hat Carvus doch mit Absicht in dieses Zimmer gesteckt und die Männer gedemütigt. Er wollte, dass sie auf ihn losgehen, weil er uns hasst und uns loswerden will.“ Mellonius sprach das aus, was Lucius die ganze Zeit schon gewusst hatte.
„Sie werden nicht ruhen, bis wir alle drei tot sind!“ Mellonius’ Stimme überschlug sich.
„Ruhig!“, mahnte Lucius. „Ich glaube nicht, dass sie uns töten werden!“, versuchte er den anderen zu beruhigen. „Unsere Familien gehören zwar nicht zu den ganz großen Namen des Imperiums, sind aber nicht ganz ohne Bedeutung. Wenn sie uns töten würden, gäbe es unangenehme Fragen. Sie wollen uns nur Angst machen und uns einschüchtern!“
Mellonius antwortete dumpf: „Das machen sie ziemlich gut!“
Kurze Zeit später gab Carvus auf. Die Rekruten hatten zusätzlich noch Unterricht im Lesen und Schreiben bekommen und da alle drei Centurionen-Anwärter bereits lesen und schreiben konnten, bekamen sie in dieser Zeit Sonderdrill mit dem Pilum. Lucius und Mellonius fielen nicht weiter auf, da sie nach wie vor eine eigene Unterkunft hatten. Carvus war schlechter dran. „Ist wohl was Besseres, weil er schon lesen und schreiben kann!“, sagten die anderen aus seiner Stube und schnitten ihn nun ganz. Sein Essen musste er sich selbst kochen, was ihm nur recht und schlecht gelang, und niemand wollte seine Schulter mit Öl einreiben. So konnte eine Zerrung nicht richtig ausheilen. Am Ende hatte Carvus genug.
„Ich will endlich wieder eine Nacht ohne Angst und Schmerzen durchschlafen können!“, sagte er sehnsüchtig, als er sich von den anderen beiden verabschiedete. „Ich bin zu Vulso gegangen und habe gesagt, dass ich nicht mehr kann!“
„Was hat er geantwortet?“, fragte Mellonius.
„Er hat höhnisch gegrinst und gesagt: ‚Ich hab es doch gewusst!’“, erwiderte Carvus tonlos. „Und dass er sich jetzt mehr auf die beiden anderen konzentrieren kann! Das seid ihr beide.“
Lucius und Mellonius sahen sich an.
„Sie werden nicht ruhen, bis sie euch fertiggemacht haben. Passt auf euch auf!“, sagte Carvus und verschwand.
Jetzt haben wir die offizielle Bestätigung. Wer von uns beiden wohl der Nächste ist, dachte Lucius und spürte das dumpfe Gefühl der Angst in sich aufsteigen.
Lucius und Mellonius beendeten ihr Einzeltraining. Sie hatten keine Pause. Als Nächstes wurde der Formationskampf trainiert: Auf Kommando mussten die Rekruten vorstürmen und sich mit dem Schild gegen die Pfähle werfen, die den Feind darstellten. Dann stießen sie über den Schildrand hinweg auf den Pfahl ein. Auf ein Hornsignal hin rückte die nächste Reihe vor und attackierte den Feind, und dann die nächste, und wieder die nächste.
Im Juli, dem dritten Monat ihrer Ausbildung, wurden Hacke, Axt und Tragekorb ihr bevorzugtes Werkzeug. Sie marschierten ins Gelände, hoben Gräben aus und schütteten Wälle auf. Sie gingen in die Wälder, fällten Bäume und schleppten sie ins Lager, wo sie bearbeitet wurden. Als ob Jupiter auf Seiten der Ausbilder wäre, erschwerte das Wetter ihnen ihre Aufgaben noch zusätzlich. Das Frühjahr war oft heiß gewesen, aber jetzt im Sommer schlug das Wetter plötzlich um und es wurde nass und schwül. Nasser Schlamm, kaum zu trocknende Kleidung und obendrein noch drückende Schwüle – die Männer verfluchten den Regen mehr noch, als sie zuvor die trockene Hitze verflucht hatten. Abends entfachten sie ein Höllenfeuer, um die Kleidung zu trocknen, was dennoch kaum
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