Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
gelang. Fast die ganze Centurie trug ständig feuchte Sachen. Ende Juli waren die Ausbildungseinheiten am Ende. Müde Gestalten, die sich mit rot unterlaufenen Augen vom Exerzierplatz zu den Unterkünften schleppten, Rekruten, die im Schreibunterricht einschliefen und mit lautem Getöse von den Stühlen fielen: Sie waren eine Armee der Geschlagenen, bevor sie überhaupt einen Feind gesehen hatten.
Lucius wachte auf und konnte nicht mehr sagen, was ihn geweckt hatte. Jetzt hörte er ein Geräusch im Vorraum und dann Getuschel. „CAESAR!“ Unter lautem Geschrei flog plötzlich die Tür auf und fünf, sechs vermummte Gestalten stürmten in das Zimmer. Sie warfen den Tisch um, zerrten Mellonius aus dem Bett und versetzten ihm mehrere harte Schläge auf den nackten Hintern. Auch Lucius wurde gepackt, aber er riss sich los und versetzte dem ersten, der zu ihm aufs Hochbett klettern wollte, einen solchen Fußtritt, dass die vermummte Gestalt quer durchs Zimmer flog. Der nächste bekam einen Schlag auf die Nase und taumelte zurück. So plötzlich, wie der Spuk begonnen hatte, war er wieder vorbei. Als Antinius mit einer Fackel in das Zimmer stürmte und brüllte: „Was ist hier los?“, waren die Männer schon wieder weg.
Mellonius lag halb auf dem Fußboden, die Tunica hochgeschoben, sein Hintern entblößt, und schrie, als würde er am Spieß stecken.
Lucius klopfte das Herz bis zum Halse, aber er sprang aus dem Bett und versuchte Meldung zu machen: „Eine Gruppe von fünf oder sechs Männern hat uns überfallen. Sie haben Mellonius verprügelt. Ich konnte sie gerade noch abwehren.“
„Sie wollten uns ermorden!“, stammelte Mellonius außer sich.
„Ermorden?“, fragte Antinius ungläubig mit hochgezogenen Brauen. Draußen war ein aufgeregtes Gewirr von Stimmen zu hören. Die Schreie hatten die ganze Centurie aufgestört.
„Ab in die Unterkünfte!“, hörte Lucius die Stimme von Vulso. Auch Vitellius war zu hören. Offensichtlich war die ganze Lagerstraße in Aufruhr. Nach und nach erstarb das Gemurmel und dann traten Vulso und Vitellius ins Zimmer und knallten die Tür hinter sich zu.
„Seid ihr von Sinnen, hier so einen Krawall zu veranstalten?“, brüllte Vulso.
„Die beiden möchten einen Überfall melden!“, sagte Antinius leichthin.
Vulso sah genervt auf die beiden Rekruten, Vitellius ließ ein meckerndes Lachen hören. „Das ist der Grund, warum ihr das Lager weckt? Weil ihr beiden Zuckerpüppchen angeblich überfallen worden seid?“
Vitellius grinste höhnisch. „Angeblich!“
„ANGEBLICH?“, fuhr Mellonius auf, der mittlerweile aufgestanden war. Sein Gesicht hatte rote Flecken und sein Blick wanderte unstet umher. „Man wollte uns ermorden!“
„Hast du irgendwelche Waffen gesehen?“, fragte Vulso mit spöttisch verzogenen Mundwinkeln.
„NEIN! Ich lag auch mit dem Gesicht nach unten und konnte nichts sehen!“
„Und du?“
Lucius schluckte. „Nein, keine Waffen!“, sagte er und schilderte kurz das, was er mitbekommen hatte.
„Das hört sich nach einem lustigen, kleinen Streich an!“, sagte Vulso. „Die Männer sind abgekämpft und müde und lassen ihren Frust raus!“
„Und jetzt?“, fragte Antinius. „Was machen wir jetzt?“
„Habt ihr Gesichter erkannt?“
Beide schüttelten den Kopf.
„Sollen wir jetzt alle befragen und noch mehr Aufruhr verursachen?“, fragte Vitellius.
„Nein!“ Vulso schüttelte den Kopf. „Eine solche Kleinigkeit sollte man nicht unnötig aufbauschen! Wenn die Männer nicht zu erkennen waren, können wir auch nichts machen. Das ist dann Pech!“
Sein offensichtliches Desinteresse verleitete Lucius zu einer Dummheit. „Der eine hat eine dicke Nase und ein anderer müsste krumm gehen!“, platzte er heraus und schilderte, wie er die beiden Angreifer abgewehrt hatte.
Vulsos Blick hätte einer Medusa zur Ehre gereicht. „Finde die beiden und setzt sie auf Gerste!“, sagte er zu Antinius gewandt und ging zur Tür. „Ach, und sag ihnen auch, warum sie auf Gerste sind!“, fügte er mit einem Blick auf Lucius hinzu.
Das hätte ich besser für mich behalten, dachte Lucius. Das war ein dummer Fehler.
„Sie wollen uns töten!“, sagte Mellonius mit dumpfer Stimme, und es hörte sich verdächtig danach an, als müsste er seine Tränen unterdrücken.
Mellonius machte Lucius zunehmende Sorgen. Er war nervös und unsicher und zuckte beim kleinsten Geräusch zusammen. Natürlich mussten sie weiter den Hohn der Ausbilder über sich
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