Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
zuckte erschrocken zusammen, als ihn etwas an der Schulter traf. Er sah an sich herunter und musste feststellen, dass der Voconter ihn mit Schlamm beworfen hatte. Scapula, der den ganzen Vorgang von seinem Pferd aus beobachtet hatte, kicherte leise. Lucius fuhr zu dem Voconter herum, seine Hand fuhr ans Schwert. Der Kelte grinste höhnisch und winkte Lucius mit seinem Stock zu. Angesichts von vierzig Legionären war er entweder sehr mutig oder sehr verrückt, wahrscheinlich beides. Lucius hatte keine Lust, ihm durch den Matsch nachzulaufen. Promptus schien seine Gedanken zu erraten.
„Auf die Entfernung ein Kinderspiel!“, sagte er und hielt Lucius sein Pilum hin.
Lucius nahm den schweren Wurfspeer und wog ihn in der Hand, ohne den Händler aus den Augen zu lassen. Der war plötzlich verstummt und sicher war er auch bleich geworden, aber das sah man durch den Dreck nicht. Ihm war wohl gerade aufgegangen, dass es unklug gewesen war, den Befehlshaber von über vierzig schwer bewaffneten und schlecht gelaunten Männern zu reizen.
„Das wird nicht nötig sein!“, bemerkte Lucius leichthin und reichte den Speer zurück. Dann brüllte er den Voconter an: „Halt endlich dein dummes Maul und verpiss dich, sonst stecken wir dich in die Kuhscheiße, du mutterloser Abschaum!“
Dem Händler fiel die Kinnlade herunter und die Augen quollen ihm aus den Höhlen, als ihn der Centurio in seiner Muttersprache beschimpfte. Lucius stieß noch einen deftigen keltischen Fluch aus, dann drehte er sich zu seinen Männern um und befahl den Weitermarsch.
Mit dem Kommando „Auf links!“ setzte sich die Kolonne wieder wie ein Mann in Bewegung.
Bei Lousonna, einem kleinen Oppidum der Sequaner, schlugen sie erneut ihr Nachtlager auf. Lucius und Mallius besprachen gerade die Wacheinteilung, als sich Scapula vor Lucius aufbaute und unbedingt mit ihm reden wollte. So banale Dinge wie eine Wacheinteilung interessierten ihn offenbar wenig, er wollte unbedingt sein Anliegen loswerden.
„Centurio, in diesem Schneckentempo dauert es ewig. Kaum, dass wir losmarschiert sind, müssen wir schon wieder halten, um ein Lager aufzubauen. Die Wagen sind so langsam, dass wir die Lager beinahe in Sichtweite voneinander aufbauen!“, schnaubte er entrüstet durch die Nase. „Bei allen Göttern, wir haben in drei Tagen nur zwanzig Meilen zurückgelegt! Das sind noch nicht einmal sieben Meilen pro Tag. Ich bin jetzt im dritten Jahr Tribun und wollte mich nächstes Jahr in Rom für ein öffentliches Amt bewerben. Wenn wir aber weiter so schleichen, werde ich nächstes Jahr nicht mal in Lugdunum sein, geschweige denn in Rom!“
Auch Lucius hatte den Meilenstein vor dem Ort gesehen. „Verzeih Tribun, aber Ochsenkarren bewegen sich nun einmal nicht so schnell wie eine Legion oder Kohorte!“, entgegnete Lucius.
„Das weiß ich selber!“, fauchte der Tribun, „Hältst du mich für einen ahnungslosen Trottel?“
Ja, dachte Lucius im Stillen. Bisher hast du auch durch nichts bewiesen, dass ich mich irre. Laut sagte er: „Nein, Herr!“, und nahm unwillkürlich Haltung an.
Mallius’ Lippen umspielte ein hämisches Lächeln, das er immer dann zeigte, wenn Lucius auf Grund seiner mangelnden Erfahrung eine unnötige Frage stellen musste oder einen Fehler beging. Offensichtlich passte ihm nicht, dass Lucius vor diesem schnöseligen Tribun Haltung annahm.
Ach, leck mich doch, dachte Lucius.
Unterdessen war Scapula mit seiner Ansprache fortgefahren: „Dein Eifer ist zu loben, aber unnötig. Hier gibt es weit und breit keinen Barbaren, der es wagen würde, uns anzugreifen. Also werden wir von heute an das Lager nicht befestigen, das gibt uns zwei oder drei Marschstunden mehr!“ „Verzeih, Herr“, wagte Lucius zu entgegnen, „aber ich habe den Befehl bekommen, jeden Abend ein befestigtes Lager zu errichten.“
„Und ich, Quintus Ostorius Scapula, gebe dir jetzt einen neuen Befehl!“, säuselte der Tribun. „Ich bin jetzt im dritten Jahr Tribun und du“, er machte eine Pause und sah Lucius abfällig an, „bist meines Wissens nach auf deinem ersten Feldzug! Also kein befestigtes Lager!“
„Verzeih, wenn ich erneut widerspreche!“ Lucius’ Stimme klang jetzt bestimmter. Scheißegal, ob erster Feldzug oder nicht, dieser eitle Geck brauchte nicht auf ihn herabzusehen. „Meine Befehle stammen von Galarius und Valens. Ich habe auf die
disciplina
geschworen, die Befehle meiner Vorgesetzten zu befolgen!“
„Jupiter!“, stieß Scapula hervor.
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