Century Love - Tödliches Fieber: Roman (German Edition)
an zu zittern und zu keuchen. Er krümmte sich und schwitzte stark. Matthias sah ihm mit einem vagen Gefühl von Déjà-vu zu.
»Was passiert mit ihm?«, fragte jemand ängstlich.
Matthias wusste es. Er hatte es schon einmal gesehen: in der Gladiatorenkaserne in Londinium. Er fühlte sich genauso machtlos wie damals, als er zusehen musste, wie Seth am Fieber starb.
Als der Motorradfahrer aufhörte zu atmen und sich nicht mehr regte, fühlte Matthias sich unerträglich hilflos und schuldig zugleich. Er starrte den Mann an und wünschte, er würde wieder aufstehen, wünschte, die Zeit zurückdrehen zu können, bis er wieder sicher in Parallon war, wo er nichts Schlimmes anrichten konnte. Seine Totenwache wurde von einem schrillen Heulen unterbrochen, und als er den Kopf drehte, entdeckte er ein großes weißes Fahrzeug mit blau blitzendem Licht, das sich durch den Verkehr zu ihnen durchkämpfte. Die Schaulustigen murrten ungeduldig.
»Das wurde aber auch Zeit!«
»Eine Schande, wie lange die brauchen!«
Als Matthias sich wieder zu der Leiche umdrehte, hatte sie sich verändert. Irgendwie war sie nicht mehr so richtig da. Er blinzelte. Das bildete er sich nicht ein, der Motorradfahrer … verschwand vor seinen Augen. Und auf einmal fiel der Groschen. Ohne zurückzublicken, lief Matthias davon.
Als der Krankenwagen endlich an der Unfallstelle ankam, war von dem toten Mann nichts mehr zu sehen. Von Matthias auch nicht. Die Sanitäter fanden nur einen Haufen Leder, eine Schar verstörter Schaulustiger und ein demoliertes Motorrad vor.
Ankunft
Matthias lief zum Fluss, so schnell ihn seine Beine trugen. Er sah weder nach links noch nach rechts und hielt schon gar nicht Ausschau nach Seth. Er wollte nur möglichst rasch nach Parallon zurückkehren.
An der Stelle, wo er eben erst aufgetaucht war, sprang er, ohne zu zögern, wieder ins Wasser und hätte beinahe erleichtert aufgelacht, als er den starken Sog des Strudels spürte, der ihn zurückzog.
Er freute sich über die erdrückende, atemberaubende Kraft des wirbelnden Wassers, weil sie ihn unterjochte und er sich ihr mit aller Schuld und Verantwortung ergeben konnte, die ihm die Kehle zuschnürten. In dem verzehrenden Mahlstrom war für Gefühle kein Platz. Es gab nur die physische Gewissheit einer Macht, die viel stärker und mächtiger war als er. Die Selbstaufgabe war wie eine Befreiung. Als die Wasserhülle aufplatzte und sein Körper an die Oberfläche trieb, war jegliche Schuld von ihm gewaschen. Er freute sich, wieder zu Hause zu sein. Die Farbe, das Licht und die schimmernde Schönheit Parallons hießen ihn willkommen.
Matthias sprang aus dem Wasser und lief, ohne sich abzutrocknen, dorthin, wo er im Jahr 2013 dem Motorradfahrer beim Sterben beigestanden hatte. Schimmernd kam die genaueNachbildung der Straße zum Vorschein – mitsamt der sonderbaren durchsichtigen Gebäude beidseits des Asphalts. Doch die Stelle, wo der Motorradfahrer gelegen hatte, war leer. Matthias starrte stumpf auf die graue Fahrbahn. Er war sicher gewesen, dass der Mann dort wieder auftauchen würde.
Dann erklang ein Geräusch, das er erst einmal gehört hatte: der Lärm eines heranbrausenden Motorrads. Er blinzelte in die Sonne, als der Motorradfahrer direkt auf ihn zusteuerte. Er wollte sich schon mit einem Sprung retten, als das Motorrad ruckartig zum Stehen kam. Der Fahrer blieb kurz sitzen und sah Matthias an. Dann nahm er den Helm ab und stieg vom Motorrad.
»Okay, Mann, dann klär mich mal auf. Ich will wissen, wo ich bin.«
Matthias grinste nur, legte ihm den Arm um die Schultern und sagte: »Willkommen in Parallon, mein Freund.«
Der Plan
St. Magdalene’s
2013 n. Chr.
Seth stand mit dem Frühstückstablett im Speisesaal und sah sich suchend um. Sie war nicht da. Hatte er sie verpasst?
»Seth! Hier hinten, Alter!«, rief Harry und winkte von einem halb besetzten Tisch am Fenster. Gedankenverloren ging Seth in seine Richtung, ohne die Tür aus den Augen zu lassen. Dabei fing er versehentlich den Blick der großen Blonden – Ruby – auf, die mit anderen Mädchen an einem Tisch in der Nähe der Essensausgabe saß. Rasch sah er weg.
Doch kaum hatte er sich zwischen Harry und Will niedergelassen, als Ruby zu seinem Entsetzen Teller und Tasse nahm und auf sie zusteuerte.
Sie setzte sich ihm gegenüber. »Guten Morgen, Seth«, flötete sie.
Er nickte kurz und sah wieder zur Tür, ohne das ärgerliche Zucken um ihre Mundwinkel zu beachten, mit dem sie auf seine
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