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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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eingefallen.«
    »Komm, du kannst es mir ruhig
sagen!«
    »Na ja, ein bisschen komisch bist du
eben!« Perihan bewegte die Lippen, als suchte sie nach dem richtigen Ausdruck.
»Aus dem Gleichgewicht!« rief sie dann. »Du bist nicht mehr so ausgeglichen wie
früher. Vielleicht täusche ich mich ja auch. Es ist mir nur so in den Sinn
gekommen.«
    Refık dachte: »Aha, aus dem
Gleichgewicht!« Er dachte an die letzten Tage zurück. »Was habe ich so gemacht?
Ein bisschen zuviel getrunken wohl. Und ein ziemlich komisches Gesicht gezogen.
Na ja, und auch Unsinn geredet, aber ist das so wichtig? Was sonst noch?« Weiter
fiel ihm nichts ein. Verlegen sagte er: »Es ist vielleicht wegen dem Tod meines
Vaters!«
    »Ja, das wird es sein«, murmelte
Perihan.
    »Und dann habe ich eine Tochter
bekommen!« rief Refık aus. »Das war vielleicht ein bisschen viel auf
einmal!«
    »Warum soll es dich aus der Fassung
bringen, dass du eine Tochter bekommst?« fragte Perihan mit hochgezogenen
Brauen.
    »Weiß auch nicht!« gab Refık
betreten zurück. »Ist aber so! Ich habe irgendwie nicht darüber nachgedacht,
dass ich ein Kind bekomme, aus Fleisch und Blut!« Er sah bewusst nicht zu dem
Kinderbett hin. »Das war irgendwie unerwartet für mich, versteh das doch!« Er
fürchtete, nicht den richtigen Ton hinzubekommen. »Soviel Verantwortung!«
    Perihan erwiderte nichts. Es war ihr
auch nicht anzusehen, was sie dachte.
    Refık fühlte sich ungerecht
behandelt und rief plötzlich aus: »Ich gehe jetzt gar nicht mehr zur
Arbeit!« Und war dann selber verdutzt. »Das ist jetzt mehr, als ich vorhatte!«
dachte er, doch war ihm, als ob er nun so etwas sagen dürfte, und nicht nur
sagen, sondern auch tun. Woher er diesen Anspruch nahm, wusste er auch nicht,
doch kam er aus tiefster Seele.
    »Ich will endlich auch etwas anderes
im Leben!« stieß er hervor, doch zum Weitersprechen fehlte ihm dann der Mut.
    »Schrei doch nicht so, sonst wird
die Kleine noch wach! Bis die dann wieder schläft!« Perihan sah nach dem Kind
und sagte dann: »Und was meinst du damit genau?«
    »Weiß ich auch nicht! Ich habe nach
Vaters Tod viel nachgedacht, was ich jetzt anfangen soll mit meinem Leben, aber
ich bin zu keinem Schluss gekommen. Aber so geht es nicht weiter. Ich muss
irgend etwas tun!«
    »Du willst also wirklich nicht mehr
zur Arbeit gehen? Und den ganzen Tag zu Hause herumsitzen?«
    Sie stand auf und ging zu ihrer
Tochter, die sich etwas regte. Sorgenvoll beugte Perihan sich zu ihr hinab.
    Refık sah das aufmerksame,
kindliche Gesicht seiner Frau von der Seite. »Ach, natürlich gehe ich wieder
zur Arbeit!« Bewusst machte er diesen Rückzieher, als ihn Perihan gerade nicht
ansah. »Solange ich in diesem Haus lebe, muss ich auch ins Büro gehen. Aber
irgend etwas muss ich unternehmen, verstehst du? Kannst du mir dabei helfen?«
Als Perihan ihn immer noch nicht anblickte, rief er wütend: »Was kannst du mir
für eine Hilfe sein? Du bist ja noch ein Kind!«
    Nun wandte Perihan sich ihm wieder
zu. »Ich habe dir doch gesagt, dass du aus dem Gleichgewicht bist!«
    »Aus dem Gleichgewicht!« dachte
Refık. »Na ja, sie hat recht. Aber ich habe auch recht. Sie ist
intelligent, aber noch ein Kind. Aus dem Gleichgewicht … Was soll ich denn
tun? Mit diesem Haus und diesem Büro, in das ich nur gehe, damit nichts
auffällt … Was soll ich tun?«
    »Ich würde gern intensiv lesen und
nachdenken!« sagte er dann.
    »Wie du meinst«, erwiderte Perihan leise.
    Sie schwiegen.
    »Gott, ist das heiß heute!« sagte
Refık.
    »Ja.«
    Schweigen.
    »Ich bin aus dem Büro weggelaufen«,
dachte Refık. »Bei dieser Hitze. Mir ist klar, dass ich etwas tun muss,
ich weiß nur noch nicht, was. Vorstellbar wäre folgendes: Erstens: Eine
Zeitlang nur lesen, aber nach Plan und diszipliniert. Zweitens: Versuchen,
etwas zu schreiben. Drittens: Meine Firmenanteile an Osman verkaufen, aus dem
Haus ausziehen und ein Ingenieurbüro gründen. Viertens: Mit Perihan eine
Europareise unternehmen. Aber das geht ja wegen des Kindes nicht. Also
fünftens: Allein auf Reisen gehen. Irgendein Vorwand dazu wird sich schon
finden. Ach, diese Hitze!« Er gähnte und streckte sich.
    »Wovon bist du denn heute schon
müde?« fragte Perihan lächelnd.
    Refık freute sich zwar über
dieses Zeichen von Anteilnahme in Perihans Gesicht, doch seine Laune war dahin.
»Ich muss meinem Leben einen Sinn geben!« sagte er.
    Wieder lachte Perihan. »Na, dann tu
das doch!« Jetzt kam bei ihr plötzlich

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