Cevdet und seine Soehne
»Jetzt muss ich es signieren!« dachte
er. »Die sind ganz neugierig, was ich für eine Widmung schreibe. So eine
Zeremonie!« Dabei fiel ihm eine andere Signierszene ein, die er sogleich
erzählte.
»Zu dem Verlag, bei dem mein Buch
erschienen ist, kam mal ein älterer Herr, der ließ ein Buch von sich auf eigene
Kosten drucken. Und wie er das Buch dann bekommt und gleich die ersten
Exemplare signiert und an ein paar Leute verteilt, da sieht er mich und fragt:
Na, was machen Sie denn so? Und als ich sage, ich bin Dichter, schreibt er mir
doch glatt hinein: Für meinen Freund, den Dichter Muhittin, dessen Gedichte mir
überaus gefallen haben.« Muhittin lachte los, aber als er Refıks reglose
Miene sah, wurde er gleich wieder ernst. »Ich muss ihn irgendwie aufheitern«,
dachte er. Er signierte seinen Gedichtband und schrieb dazu: »Für meinen
Freund, den jungen Geschäftsmann Refık, dessen Leben ich mit Freude und
Interesse verfolge.« Kaum stand das auf dem Papier, da fand Muhittin seinen
Scherz auch schon geschmacklos, aber nun blieb ihm nichts übrig, als Refık
das Buch hinzuhalten.
Der sah sich erst den Einband an,
sagte ein paar Worte über das Papier und den Satz, doch als er die Widmung
erblickte, verfinsterte sich seine Miene.
»Ach Junge, mein Leben!« sagte er.
»Das ist mir entgleist!«
»Was sagst du denn da!« entfuhr es
Muhittin. Er war völlig verdutzt. Zwar hatte er sich auf einiges eingestellt,
aber auf derartiges nicht. Ihm pochte das Kneipengedröhne in den Ohren, und er
wagte es kaum, Refık ins Gesicht zu sehen. »Ach Junge, mein Leben ist mir
entgleist.« Dieses »Ach Junge« hatte Refık schon am Telefon gesagt. Wie lange
hatte Muhittin so etwas schon nicht mehr vernommen! Er war gleich ganz gerührt.
»Was ist denn los mit dir, Junge?« dachte er. »Du warst doch immer so
glücklich! So ganz anders als ich! Was hast du denn nur? Komm, lass uns drüber
reden. Aber natürlich nicht vor denen da …«
»Wie geht es denn der Tochter?«
sagte er aus lauter Verlegenheit.
»Gut, ja, gut. Sie wächst wahnsinnig
schnell!«
»Das freut mich. Ich habe nämlich
beschlossen, dass ich auf sie warte und vorher nicht heirate!«
»Ja, heirate lieber nicht, damit
hast du schon recht!« Hastig trank Refık seinen Wein.
»Nein, ich meine, ich warte, bis
deine Tochter alt genug ist, und dann heirate ich sie. Ich bin sicher, dass sie
sehr schön wird.« Fast wäre ihm entschlüpft, dass er Perihan schön fand.
»Nein, meine Tochter ist nichts für
dich«, sagte Refık. »Das wird einmal ein Riesenweib. Sie ist jetzt schon
so groß.«
Muhittin stutzte. »Nenn mich doch
gleich einen Zwerg!« dachte er.
»Bin ich denn so klein?« fragte er, aber
sogleich reute ihn das, und er wagte gar nicht, die beiden Kadetten
anzuschauen.
»Ach woher! Wer behauptet, dass du
klein bist?«
Muhittin war nicht erfreut, dass
Refık noch weiter auf dem Thema herumritt. Er sah auf die Uhr und wandte
sich dann den Kadetten zu.
»Wird es nicht schon spät für euch?«
»Nein, etwas Zeit haben wir noch«,
erwiderte Turgay.
»Ich würde sagen, wir gehen lieber«,
grummelte Barbaros. »Ich habe keine Lust, den langen Weg hinauf wieder rennen
zu müssen.«
Muhittin entgegnete nichts, und so
standen die beiden auf. Ihre Militärsachen hatten sie bei einem Fotografen
deponiert, bei dem sie sich nun umziehen würden. Muhittin bemühte sich noch um
ein paar freundliche Abschiedsworte. Für den Mittwoch bestellte er sie wieder
in die Kneipe. Als sie schon gingen, rief er ihnen noch hinterher: »Beeilt euch
lieber! Sonst zieht euch der Kommandant wieder die. Ohren lang. Und seid schön
fleißig. Und schreibt an eure Eltern. Ihr sollt gute Kinder, gute Soldaten und
gute Staatsbürger sein!« Das sagte er ihnen jedesmal. Die beiden lächelten
verlegen und schlichen hinaus.
»Na, wie findest du die zwei?«
fragte Muhittin.
»Ich denke, sie wären gern noch ein
wenig sitzen geblieben.«
»Das ging aber nicht«, sagte
Muhittin gereizt, »sonst wären sie zu spät gekommen.« Er winkte ab. »Lass jetzt
mal die beiden. Erzähl lieber von dir. Sollen wir noch Wein bestellen?«
Refık nickte. Sie bestellten
noch etwas und verfielen dann in Schweigen. Ein langes Schweigen.
Als der Wein kam, sagte Muhittin:
»Also, du hast doch was!«
»Ja, ich habe was.«
»Ist dir irgend etwas zugestoßen?«
»Ich sage dir ja: Mir ist mein Leben
entgleist.«
»Das ist aber nicht sehr deutlich
…«
»Stimmt schon, aber es ist der Satz,
den ich
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