Cevdet und seine Soehne
Frauen hinunter. Dann
ging er ins Bad, um sich Hände und Gesicht zu waschen.
Kam er von der Arbeit nach Hause, so
war dies immer seine erste Handlung. Wenn er sich die Hände gründlich
eingeseift und gewaschen hatte, erfrischte er sich mit viel Wasser das Gesicht.
Danach fühlte er genug Spannkraft und Ruhe in sich, um den restlichen Teil des
Tages angehen zu können. Wenn er im Büro der Arbeit überdrüssig war, mit
irgendwelchen Leuten Kämpfe auszufechten hatte oder es überhaupt als betrüblich
empfand, sich mit dem Geldverdienen schmutzig zu machen, freute er sich schon
auf den Moment, an dem er sich abends zu Hause mit viel Seife und Wasser
genießerisch die Hände waschen würde. Während dieser Säuberungszeremonie, die
die Arbeitsstunden von den in der Familie verbrachten Mußestunden trennte, ging
er das tagsüber Erledigte noch einmal durch.
Er drehte den Hahn auf, und das
Wasser begann zu laufen. Vor allem mit zwei Sachen hatte er sich im Büro
beschäftigt. Die erste war nicht weiter wichtig: Er hatte einen deutschen
Farbproduzenten wegen einer eventuellen Ermäßigung auf die Katalogpreise
angeschrieben und ihn über die beträchtlichen Möglichkeiten des türkischen
Marktes informiert. Die zweite Angelegenheit war dagegen von höchster
Bedeutung, und zwar hatte er sich mit dem Vertreter eines deutschen
Baumaterialherstellers getroffen, der in der Türkei Armaturen, Rohre und
Badbedarf vertrieb und sich bereit erklärte, seine Ware billiger abzugeben als
sein größerer englischer Konkurrent und auch alle möglichen
Zahlungserleichterungen zu gewähren. Sollte es über eine Alleinvertretung
dieses Herstellers in der Türkei zu einer Einigung kommen, so würde Osman seine
Firma, deren Wachstum sich seit einiger Zeit und insbesondere in den letzten
Jahren Cevdets verlangsamt hatte, mit der Aussicht auf große Gewinne erweitern
und endlich das starke Unternehmen daraus machen können, das ihm seit jeher
vorschwebte. Er rieb die Seife, bis sie ausgiebig schäumte. »Aber vielleicht
kommen wir zu keinem Abschluss, weil ich kein Deutsch kann und mein Französisch
so miserabel ist!« Er hob den Kopf und sah sich im Spiegel an. Er fand sich
alt, abgespannt, verbraucht. Obwohl erst zweiunddreißig, kam er sich vor wie
ein knapp fünfzigjähriger kleiner Beamter. Seine Augen hatten ihren Glanz
verloren, die Haare ergrauten nach und nach, und sogar ein wenig bucklig war er
geworden. Nicht wenige seiner Altersgenossen wirkten erheblich jünger als er.
Er streckte die Hände wieder unters Wasser. »Weil ich eben soviel arbeite!
Schon als mein Vater noch lebte, und jetzt noch viel mehr! Alles lastet auf
meinen Schultern!« Seit Refık weg war, hatte er noch mehr zu tun und auch
noch mehr Sorgen. Er wollte die Zeit wieder aufholen, die unter Cevdet zuletzt
verlorengegangen war, und sah es als sein einziges Lebensziel an, das von
seinem Vater gegründete Haus immer weiter
zu vergrößern. Erneut seifte er sich ein und dachte dabei schmunzelnd an das
Mittagessen zurück, das er mit einem Händler aus Kayseri eingenommen hatte. Der
Mann kam ein paarmal im Jahr nach Istanbul, das ihm wie ein Paradies vorkam,
wie ein einziges Vergnügungszentrum, und er erzählte gern von seinen
Ausschweifungen dort. Nach dem Händewaschen erfrischte sich Osman mit viel
Wasser das Gesicht. »Was wohl Rafıla
schreibt?« dachte er missmutig. »Ausgerechnet als es am dicksten kam, ist er
einfach weg!« Er fragte sich ernsthaft, wann sein Bruder wohl wieder heimkehren
würde. Plötzlich fiel ihm ein: »Ich kann diesen Deutschen ja nach Hause
einladen!« Er seifte sich das Gesicht ein. Wie würde wohl der Deutsche so eine
Einladung aufnehmen? Und seine Familie zu Hause? Cevdet hatte, abgesehen von
seinen engsten Freunden, nie einen Geschäftspartner heimgebracht. Osman stellte
sich aber vor, wie angetan der Deutsche von so einem Besuch wohl sein würde und
wie förderlich sich das auf ihre Zusammenarbeit auswirken konnte. Insbesondere
auf Nermin zählte er dabei, die bestimmt wieder glänzen würde. Der Deutsche
würde schlichtweg fasziniert von ihr sein. Stolz dachte Osman daran, wie
elegant sie sich in Gesellschaft zu bewegen wusste und wie gut sie sich
insbesondere mit Männern unterhalten konnte, ganz im Gegensatz zu vielen
anderen Frauen. Errötend fiel ihm dann wieder ein, was er während der
Unterredung mit dem Deutschen für Französischfehler gemacht hatte. Obwohl er
eine französische Schule besucht hatte, das
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