Cevdet und seine Soehne
befassen muss. Ich
kann mich doch nicht gegen den Sultan auflehnen!«
»Es behauptet doch keiner, dass du
das sollst! Aber willst du nicht das Beste für unser Land? Hast du nicht
wenigstens für Reformen etwas übrig?«
»Ich sehe nicht ein, was die bringen
sollen … Und selbst wenn, was würde das schon bedeuten?«
»Du siehst nicht ein, was die
bringen sollen? Dann bist du also der Meinung, dass hier in unserem Staat alles
zum Besten bestellt ist? Und alles so bleiben soll, wie es ist? Ist das dein
Ernst?«
»Das sage ich doch gar nicht!«
»Na, was sagst du dann? Hör mal,
hier ist doch einiges im argen. Wir haben keine Freiheit, das Staatswesen ist
in einem üblen Zustand, alles ist morsch, das weißt du doch, nicht wahr? Und
wenn du es weißt, dann musst du eben … Kellner, räumen Sie doch endlich
unsere Teller ab! Also wenn du das weißt, dann musst du doch dafür sein, dass
es bei uns vorwärtsgeht und wir uns den Europäern angleichen! Aber nicht
dadurch, dass wir hier herumsitzen und mit diesen Dandys essen oder dass wir
tanzen, Französisch reden oder einen Hut aufsetzen. Für die Freiheit müssen wir
sein! Nun, was sagst du dazu?«
»Dazu sage ich, dass ich als Kaufmann
mich in so etwas nicht einzumischen habe!« erwiderte Cevdet lächelnd.
»Ach, du mit deinem berechnenden
Kaufmannsgehabe! Was bist du doch für ein Dickkopf! Du verstehst mich sehr wohl,
aber du stellst dich dümmer, als du bist. Besteht denn für dich das ganze Leben
nur darin, Geld zu verdienen und eine Familie zu gründen?«
Wieder lächelte Cevdet und dachte an
seine zukünftige Familie. »Das ist doch schon eine ganze Menge!«
Nun musste auch Fuat schmunzeln. »Du
bist ja so was von entschlossen! Ich kann mich nur wundern über dich. Aber du
begehst einen Fehler, und ich sage dir auch, welchen, damit es später nicht
heißt, ich hätte dich nicht gewarnt!«
»Und was für ein Fehler soll das
sein?« fragte Cevdet stirnrunzelnd.
Fuat zündete sich umständlich eine
Zigarette an und genoss es, Cevdet auf die Folter zu spannen. Dann sagte er:
»Du heiratest zu früh!«
»Ha! Das soll mein Fehler sein? Ich
bin eher zu spät dran!«
»Das meinst du nur, aber du irrst
dich … Du solltest noch ein wenig warten. Wenn du das tust, dann kannst du
vielleicht eine bessere Ehe eingehen. Warte noch, versuche diese Jungtürken zu
begreifen, und danach wird sich für dich alles zum Besseren fügen!«
Cevdet lachte: »Du jagst mir ja
richtig Angst ein. Bist du etwa selber ein Jungtürke? Das hört sich nämlich
ganz so an!«
»Lach du nur! Aber du handelst
vorschnell. Hör mir mal gut zu: Abdülhamit wird über kurz oder lang entweder
abtreten oder sterben. Und danach …« Er wartete ab, bis der Kellner die
Nachspeise serviert hatte. »Und danach werden diese Jungtürken gewaltig an
Bedeutung gewinnen. Sie werden die Regierung übernehmen. Schau mich nicht so
ungläubig an, ich meine das ernst. Das sind Dinge, die jedermann weiß …«
»Ich erfahre zum erstenmal, dass du
so denkst!«
»Ach, Cevdet, du glaubst immer, dich
so gut aufs Rechnen zu verstehen, aber eigentlich weißt du gar nichts! Wenn du
nur wüsstest! Dann würdest du begreifen, dass du dich unter Wert verkaufst! Wie
ist es denn um Şükrü Paşa bestellt? Ich weiß es nämlich, denn ich
habe für dich nachgeforscht. Finanziell geht es ihm miserabel. Er hat seine
Ländereien verkauft, und für den Konak in Çamlıca sucht er auch einen Käufer. Auch eine seiner
Kutschen hat er losgeschlagen … Alles andere als glänzend also. Du freust
dich, weil du in eine so gute Familie einheiratest, aber das eigentliche
Geschäft haben die gemacht.«
»Als Geschäft habe ich die Sache
auch nie gesehen!«
»Schon gut, sei mir nicht böse …
Aber begreif wenigstens, was da vor sich geht.«
»Du willst mich nur in die Politik
hineinziehen. Auch wenn du dich anscheinend um solche Sachen kümmerst, ich eben
nicht! Die Politik ist die eine Sache, und das Kaufmannsdasein ist eine andere.
Ich habe noch nie politische Bestrebungen gehabt und finde das alles nicht
richtig.«
»So bist du eben mit deiner
Kompromisslosigkeit. Ich kann dir einfach nicht beibringen, ein wenig
pragmatischer zu sein. Für dich gibt es im Leben nur zwei Haltungen: Entweder man
ist für etwas oder man ist dagegen. Und dazwischen gibt es nichts! Dein Bruder
ist übrigens genauso. Und er ist dagegen. Anscheinend hat er es mit dem
Dagegensein jetzt schon so weit getrieben, dass er sogar gegen das Leben
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