Cevdet und seine Soehne
ist.
Und das sage ich nicht im Scherz. Ihr seid eben so. Du kennst dich nur mit dem
Handel aus und denkst an deine spätere Familie, alles andere ist dir so egal,
dass du einfach dagegen bist. Aber so muss es nicht sein, es gibt immer einen
Mittelweg.« Er legte sein Besteck zur Seite. »Nämlich einen
Kompromiss. Das müssen dein Bruder und du erst mal lernen. Ihr seid euch so
ähnlich, ohne es zu merken!«
Cevdet ging es immer noch um die
Klarstellung dessen, was Fuat zuvor gesagt hatte: »Ich verstehe nicht, was du
da meinst. Aber eines möchte ich noch einmal betonen: Ob die Tochter von
Şükrü Paşa Geld hat oder nicht, spielt für mich keine Rolle!«
»Aber eine Paşatochter wolltest
du schon! Schau mich nicht so an, das ist ja keine Schande. Du hast ja sogar
recht damit. Um eine gute Familie zu gründen, suchst du ein guterzogenes
Mädchen, und die findet man eben derzeit im Umkreis des Sultans. Die wiederum
wollen jemanden, der ein bisschen Geld hat, und da kommst du ihnen gerade
recht.«
»So denke ich aber nicht! Ich denke,
dass …« sagte Cevdet, aber ihm wurde bewusst, dass ihm das, was Fuat gesagt
hatte, selbst an die hundertmal im Kopf herumgegangen war. Er hatte es sich nur
nie eingestehen wollen. »Ich denke, dass … Ich will eine gute Familie. Und
eine gute Arbeit. Eine gute Frau und gute Kinder. Das ist mein Ziel!«
»Das hast du alles schon gesagt.
Aber das ist kein Hindernis, um sich mit Politik zu befassen. Und was bedeutet
eigentlich Politik? Denk doch darüber einmal nach.«
Cevdet verzog das Gesicht, als hätte
er nun endgültig genug. »Du jagst mir Angst ein. Willst du mich etwa in ein
Komplott verwickeln? Das kannst du mit deinen Freimaurern machen, aber ich
verstehe mich nicht auf so etwas!«
»Du bist mir ein rechter
Schlauberger, Cevdet!« Fuat lachte nervös. »Ich kann dir nur das eine sagen:
Werde ein bisschen pragmatischer! Komm ab von deinem alles oder nichts! Begreif
endlich, dass das Leben aus kleinen Kompromissen besteht. Familie und Geschäft
… Und etwas anderes gibt es nicht? Dann ist das Leben aber ziemlich eng und
einförmig. Lös dich von dieser Einstellung, wende dich dem Leben zu! Das sage
ich dir, aber am liebsten würde ich es auch deinem Bruder sagen. Ich kenne ihn
ja nicht, aber er scheint genauso radikal zu sein!«
»Das ist ja genau das, was ich bei ihm
verstehe. Das, was du radikal nennst. Also einen Beschluss fassen
und sich dann daran halten, koste es, was es wolle. Er hat eine Entscheidung
getroffen und will etwas tun. Das verstehe ich, und ich habe sogar Achtung
davor. Aber leider kann ich ihm das nicht sagen.« Wütend fügte er hinzu: »Weil
ich eben nie Zeit habe!«
»Siehst du! Ihr versteht euch nicht
darauf zu leben. Ganz gleich seid ihr zwei. Sei mir nicht böse, aber so seid
ihr nun mal!« Er hielt sich die Hände wie Scheuklappen neben das Gesicht.
»Außer dem, was hier dazwischenliegt, seht ihr nichts. Ist das Leben so? Was
bedeutet überhaupt leben? Etwas sehen, fühlen … Das Leben ist bunt! Ja, was
ist für dich überhaupt das Leben?«
Schroff wehrte Cevdet ab: »Die Frage
ist unsinnig! Ich bin mit meinem Leben zufrieden!«
»Du hast also allein schon Angst,
darüber nachzudenken!«
Ȇberhaupt nicht! Du bekommst noch
eine Antwort!« Er dachte nach. »Leben bedeutet … eine glückliche Existenz!«,
doch kaum hatte er das gesagt, kam es ihm so vor, als hätte er Fuat damit recht
gegeben. »Nein, nein, so meine ich es nicht!« Wütend setzte er hinzu: »Ich weiß
es nicht! Ich denke über so etwas nicht nach und finde die Frage abwegig. Ich
wäre dir verbunden, mir nicht mehr mit solchen Themen zu kommen. Und von den
Soldaten in Saloniki will ich auch nichts hören. Tu mir den Gefallen und zieh
mich nicht in so was hinein. Was du mir schon gesagt hast, werde ich auf der
Stelle vergessen.«
»Ach, Cevdet, du bist derartig starrköpfig
und orientalisch!« lachte Fuat. »Kellner, die Rechnung bitte!« Immer noch
lächelnd sagte er zu Cevdet: »Und trotzdem bin ich froh, dich zum Freund zu
haben!«
Cevdet lächelte zurück, erleichtert
darüber, dass sie diese entsetzlichen Themen und Fragen nun hinter sich hatten.
Beim Bezahlen ihrer gemeinsamen
Mahlzeiten wechselten sie sich ab; diesmal war Fuat an der Reihe. Als sie
danach schon an der Treppe waren, rief plötzlich jemand: »Mensch, das ist ja
Lampen-Cevdet! Was machen Sie denn hier?«
Es war Moşe, ein Tabakhändler, den Cevdet von Sirkeci her
kannte. Cevdet bemühte sich um ein
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