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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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Lachen brachte. Eine Frau gab zu bedenken,
dass es doch unschicklich sei, auf einem früheren Friedhof Tennis zu spielen,
und es trat betroffenes Schweigen ein, und mitten in dieses Schweigen hinein
wurde Refık von dem Eisenhändler Hamdi angesprochen, einem
Klassenkameraden von Ömer, der Refık die ganze Zeit schon immer wieder
angesehen hatte.
    »Mensch, Refık, was du so alles
machst! Bis nach Kemah bist du gekommen!«
    »Ja«, erwiderte Refık, peinlich
berührt, da alle mithörten.
    »Und was hast du dort getrieben?«
    »Ach, nichts Besonderes!«
    »Du hast doch ein Buch geschrieben!
Und ein Ministerium hat es herausgebracht!«
    Refık wollte vor den anderen
möglichst unbeteiligt wirken, merkte aber gleich, dass er viel eher die Haltung
des kleinen Bruders einnahm, so wie er dies Osman gegenüber tat. »Ja, es ist
veröffentlicht worden.«
    »Dann bist du ja jetzt ein
Schriftsteller!« betonte Hamdi und sah sich in der Runde um, als habe er etwas
ganz Besonderes entdeckt. »Worüber schreibst du denn so? Über die Probleme der
Türkei, oder?«
    »Über die Probleme in den Dörfern«,
erwiderte Refık, um wenigstens ein bisschen was von sich zu geben. Das
Wort »Schriftsteller« war ihm höchst peinlich.
    »Aha, die Probleme in den Dörfern …«
wiederholte Hamdi und sah die anderen wieder auffordernd an, als sollten sie
sich gefälligst für Refık interessieren. »Könnte ich auch eines von diesen
Büchern haben? Von dir signiert? Ich habe nämlich auch –«
    Da streckte jemand den Kopf zur Tür
herein. »Weiß jemand, wie das Spiel ausgegangen ist?«
    Refık ergriff die Gelegenheit
beim Schopf: »Eins zu null für Fenerbahçe!
«
    »Ach ja? Und wer hat das Tor
geschossen?«
    »Yaşar!«
    Hamdi rief: »He, Vasıf, dich sieht
man ja gar nicht mehr! Warum bist du denn gestern nicht gekommen?« und stand
auf.
    Sie knüpften wieder an das Gespräch
über die Zukunft des Clubs an, aber diesmal wurde allgemein locker darüber
gescherzt. Der Frau, die nicht auf einem Friedhof Tennis spielen wollte, wurde
versichert, auf dem Gelände befänden sich lediglich Überreste einer alten
Kirche. In dem großen Raum, der für jedes Clubmitglied immer der erste
Anlaufpunkt war, herrschte nun ein Kommen und Gehen, und als aus einem der
Nebenzimmer ein hünenhafter Mann kam und seine Frau anbettelte, noch eine
»winzig kleine Runde« spielen zu dürfen, und diese daraufhin mit einer wütenden
Geste auf ihre Uhr zeigte, stand Osman auf, und das war dann auch das Zeichen
für Nermin, Refık und Perihan. Sie
mussten noch ein bisschen warten, bis Osman mit dem Vorsitzenden ein paar Worte
gewechselt hatte, dann gingen sie hinaus in den Garten, wo es noch immer kalt
und bedeckt war. Perihan hakte sich bei Refık unter.
    Auf dem Weg zum Auto, das an der
Friedhofsmauer stand, sagte Osman zu Refık: »Mükrimin behauptet, du
hättest seit Monaten deine Mitgliedsbeiträge nicht entrichtet. Er wollte sie
von mir, aber ich wollte nicht an deiner Stelle zahlen.«
    »Gut.«
    »Du weißt, in was für
Schwierigkeiten sie stecken. Wäre schon gut, wenn du zahlen würdest.«
    »Ja.«
    »Oder hätte ich doch für dich zahlen
sollen?«
    »Weiß nicht …«
    »Was soll das heißen, ›weiß
nicht‹?« Osman blieb vor seinem Auto stehen, fand aber den Schlüssel nicht, den
er sonst immer auf Anhieb aus der Tasche zog. Wütend blickte er Refık an.
»Wo ist denn bloß der Schlüssel?« Dabei war das Innere seiner Taschen genauso
geordnet wie sein Alltagsleben, und er rühmte sich immer, genau zu wissen, wo
was war, und nie etwas zu verlieren. »Ja ist das möglich?« Er tastete an sich
herum und sah dabei Refık an, als wollte er sagen: »Für was hältst du dich
eigentlich, Refık? In welcher Traumwelt lebst du? Wann wirst du mal zu dir
kommen und so werden wie wir alle? Wegen dir finde ich nicht mal mehr meinen
Schlüssel!« Schließlich fand er ihn doch.
    Refık wandte den Blick ab. Mit
der Miene des naiven, ungeschickten kleinen Bruders, an die er sich schon so
gewöhnt hatte, sah er zum Himmel empor, wo sich ein Wolkengrüppchen zu einem anderen
Grüppchen vorschob. »Der Mitgliedsbeitrag …« dachte er. »Hm, ich muss mich
wohl mal entscheiden … Diese Wolken da scheinen auf die anderen zu warten …
Der Mitgliedsbeitrag … Ich muss einmal sterben. Wir müssen alle mal sterben.
Ich soll den Mitgliedsbeitrag zahlen … Die haben schon recht … Aber daran
kann ich auch später denken. Soll Osman ihn doch zahlen, wenn er Lust hat.
Diese

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