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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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geglaubt. Aber jetzt … Jetzt fühle ich mich betrogen,
übers Ohr gehauen, wie ein vertrottelter, verlassener Ehemann. Ich bin ein
unglücklicher Mensch! Verstehst du das?«
    Ömer nickte stumm.
    Plötzlich war Muhtar anzusehen, dass
ihn das Gesagte reute. »Was muss ich dem Kerl das alles erzählen?« dachte er
wütend. Als redete er gar nicht über sich selbst, sondern über Ömer, sagte er
in scharfem Ton: »Vor der Unmoral können mich allein mein Wille und mein
Verstand bewahren! Auf der Heimfahrt habe ich darüber nachgedacht und bin zu
folgendem Schluss gekommen: Im Hinblick auf die Moral, nein, mehr noch, bei der
Ausrichtung meines ganzen Lebens werde ich mich von nun an auf meinen gesunden
Menschenverstand verlassen. Wann bin ich vom rechten Weg abgekommen? Ich weiß
es nicht! Wo ist die Grenze zwischen Moral und Unmoral? Auch das weiß ich
nicht! Ich weiß lediglich, dass ich heute in einer hässlichen Situation war und
das gerade noch gemerkt habe. Was ist Moral? Auf nichts ist Verlass!« Nachdem
er sich so in Rage geredet hatte, wurde er mit einemmal wieder ruhig. »Ich
werde mich nicht mehr um die anderen kümmern, sondern um mich selbst. Ich
hoffte, mir würde ein hohes Amt zuteil, aber daraus ist nichts geworden. Aber
zu mir selbst und meinen fünf Sinnen habe ich zurückgefunden. Und begriffen,
dass ich nichts anderes habe als meine Tochter. Das verstehst du nicht, und
wahrscheinlich lachst du mich aus, aber ich teile dir jetzt mit, was für einen
richtigen und nötigen Beschluss ich gefasst habe: Bis zu eurer Heirat wirst du
nicht mehr in dieses Haus kommen und dich mit meiner Tochter nicht mehr
treffen. Du hast sie nun genug gesehen. In einem Monat seid ihr verheiratet,
aber bis dahin siehst du sie nicht mehr. Das ist mein fester Entschluss! Und zu
seiner Umsetzung werde ich auch sämtliche Maßnahmen –«
    »Ich bin ganz der gleichen Meinung!«
unterbrach ihn Ömer und stand auf.
    Auch Muhtar erhob sich. »Schön! Du
bist also der gleichen Meinung!« Nervös spielte er mit einem Jackettknopf. »Und
warum bist du dann überhaupt hier?«
    Hochtrabend erwiderte Ömer: »Mir ist
das eben gerade erst eingefallen!«
    »Du weißt vermutlich, dass ich dich
nicht besonders mag!«
    »Das weiß ich.«
    Stumm blickten sie sich an.
    »Du musst schon entschuldigen«,
sagte Muhtar dann. »Ich bin dich hart angegangen, aber ich konnte nun mal nicht
anders.« Wieder fuhr seine Hand an den Jackettknopf. »Mich reut auch, was ich
dir vorhin alles erzählt habe. Was muss ich dir mein Herz ausschütten? Hast ja
doch nichts verstanden!«
    »Ich bin betrunken«, sage Ömer.
    Nach einer Weile fuhr Muhtar mit
weinerlicher Stimme fort: »Du hast mit meiner Tochter um Mitternacht Alkohol getrunken.
Du hast sie zum Weinen gebracht, und das nicht zum erstenmal.«
    »Ja, das habe ich gemacht!«
erwiderte Ömer. »Ich weiß schon, dass ich kein Schwiegersohn bin, auf den man
stolz sein kann.« Er ging zur Tür. »Auf Wiedersehen!«
    Da ging die Tür zum Korridor auf und
Nazli erschien. »Was ist denn los?« rief sie.
    »Nichts!« antwortete Muhtar. »Er
geht jetzt!«
    »Ich habe beschlossen, dass wir uns
bis zu unserer Hochzeit nicht mehr treffen!« sagte Ömer, als würde er sich
allein die Schuld daran geben, doch empfand er das keineswegs so.
    Muhtar sah seine Tochter an. »Wir
haben das gemeinsam beschlossen!« Und zu Ömer gewandt sagte er: »Nicht wahr,
junger Mann?«
    »Jaja, natürlich!«
    »Was? Warum denn? Das geht doch
nicht!« Nazli tat einen Schrei.
    Als habe er Angst, etwas kaputtzumachen, ging
Ömer auf Zehenspitzen die Treppe hinunter und verschwand in der Nacht.

50
  WIEDER IN ISTANBUL
    Um nicht ins Gedränge zu geraten, stand
Refık schon ein paar Minuten vor Ende des Spiels auf und ging an der Mauer
der früheren Artilleriekaserne entlang, die nun als Stadion genutzt wurde. Als
er gerade auf den Taksimplatz hinaustreten wollte, rief ihm jemand hinterher.
    »Refık! Mensch, Refık!«
    Er drehte sich um und erkannte
Nurettin, einen früheren Kommilitonen. Lächelnd umarmten sie sich.
    »So eine Holzerei, was?« sagte
Nurettin.
    »Na ja, bei dem schlammigen Platz!«
    »Die wollten uns wohl den Spaß am
Fußball austreiben! Die haben ja mehr aufeinander eingetreten als auf den Ball!
So schnell sehen die mich nicht mehr hier!« Er musste schmunzeln. »Das sage ich
jetzt so, aber nächste Woche spielt Fenerbahçe wieder, und ich bin auch wieder
da! Aber dich sieht man gar nicht mehr oft …«
    »Stimmt

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