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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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aufwachen, an diesem Fenster die klare Luft einatmen und dann in die
Städte fahren. Als Eroberer …« Er glaubte nun die Kraft in sich zu haben, mit
unliebsamen Gedanken fertig zu werden. »Städte!
Städte! Warum bin ich nicht dort, sondern hier?« Er meinte wieder, auf alles
ein Anrecht zu haben. »Weil es mir hier gefällt! Ja, es gefällt mir hier! Dort
fahre ich natürlich auch wieder hin. Ich sehne mich nach Istanbul. Aber dieser
herrliche Morgen lädt mich erst mal zum Arbeiten ein! Es ist nicht allzuviel zu
tun, ich muss es nur einmal anpacken. Erst der Generator!« Zufrieden dachte er
daran, was er mit dem Generator vorhatte. Dieser hatte ein halbes Jahr lang in
einem Lager vor sich hin gerostet, und Ömer wollte ihn nun reinigen und
schmieren, ihn wieder in Gang setzen und dann damit dem Herrenhaus Strom
verschaffen. Wie er so daran dachte, fiel ihm wieder ein, dass eigentlich nicht
er, sondern Hacı darauf gekommen war. Und der hatte noch eine Idee: Er
hatte nämlich Ömer empfohlen, das Haus einfach zu kaufen. Von jenseits des
Gleises bis hinunter zum Fluss hätten sie dann jede Menge fruchtbaren Boden,
den sie bestellen könnten. Wegen der Streitereien zwischen den Erben habe schon
lang nichts mehr ausgesät werden können. Ein Jahr lang habe er Anstalten dazu
gemacht, doch sei das den Erben hinterbracht worden. Diesen konnte auch jemand
verraten, dass Hacı Ömer heimlich hier wohnen ließ und damit Geld
verdiente, aber da Ömer vorhatte, schon bald wieder nach Istanbul
zurückzukehren, wollte er sich mit diesem Gedanken nicht weiter befassen. »Ich
gehe ja auch bald zurück! Aber ich habe denen auch gesagt, dass ich vorhabe,
einen Bauernhof zu kaufen. Wem genau habe ich das gesagt?« Als er so
nachdachte, fielen ihm Refık, Nazli, Muhtar und zu seinem Erstaunen auch
Kerim Naci ein. Frierend ging er zum Bett zurück, um sich anzuziehen.
    »Wie bin ich auf Kerim Naci
gekommen? Den kann ich doch nicht ausstehen! Der macht so ziemlich alles, was
mir in der Türkei nicht gefällt. Und dieser stolze Blick, den er immer hat!« Er
zog seinen Pullover aus und knöpfte den Schlafanzug auf. »Was soll ich denen
sagen? Sie werden mich fragen, was ich hier mache. Meine Tante wird das fragen!
Gut, dass ich schon mal geschrieben habe. Na ja, ich werde wieder das gleiche
schreiben, nämlich dass der Verkauf der Maschinen sich hinzieht. Das schreibe
ich auch Nazli. Was die wohl von mir denkt? Ich habe noch keine Antwort von
ihr. Aber wenn ich dieses Gut hier kaufe, was sage ich dann? Da sie seit jeher
an mich glauben und mich für ein schlaues
Kerlchen halten, werden sie sich denken, der hat irgendwas gerochen. Habe ich
das?« Er zog das von Hacıs Frau gewaschene frische Hemd an und fühlte sich
gleich noch lebendiger. »Natürlich habe ich das. Ich werde sagen, dass ich den
Wert dieser unberührten Natur erkannt habe. Das werden sie allerdings nicht
begreifen. Es überzeugt ja nicht einmal mich. Warum bin ich dann hier? Weil ich
fürchte, dass mein Ehrgeiz dahinschwindet.« Er hielt inne. »Stimmt das? Nein,
denn so stark, wie er ist, schwindet er nicht leicht dahin. Warum bin ich dann
hier?« Er setzte sich auf den Bettrand und zog die Schlafanzughose aus. Ihn
fror gleich so, dass er rasch in seine Hose schlüpfte, und wie jedesmal, wenn
er das tat, überkam ihn gleich eine Lust, herumzulaufen und zu hüpfen und überhaupt
zu leben. »Weil mir das eintönige Leben dort nicht mehr erträglich erscheint.
Hier in der Natur ist alles so ursprünglich und echt. Es gibt keine Falschheit
hier, das ist es!« Er eilte zu seinen Stiefeln, die er weit weg vom Bett
abgestellt hatte, um sie nicht riechen zu müssen. »Ich fühle mich hier wie ein
Ritter aus dem Mittelalter, wie ein Lehnsherr, ein Großgrundbesitzer, ein
echter Mensch! Und wie schön diese Stiefel sind! So was zieht keiner mehr an!«
Er schlüpfte in die Stiefel, die er in Erzincan gekauft hatte. Dann stopfte er
die Hosenbeine hinein und stand auf.
    »So! So sieht sein echter Mensch
aus!« Er ging ein paar Schritte auf dem Parkett und trat dabei fest auf. »Das
hören sie unten, und dann richten sie mir gleich mein Frühstück her! Jawohl!«
Er blieb stehen. »Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein, aber ich glaube
tatsächlich, ich bin zum Befehlen geschaffen worden! Ich spüre das schon so
lange in mir.« Er dachte an Muhittin. »Was der wohl macht? Der arme Zwerg!
Unsere ganze Freundschaft über wollte er mit mir wetteifern, wer wohl der
Intelligentere

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