Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
Vom Netzwerk:
eindringlich, dass es ein
Scherz gewesen sei, das ich einlenkte, aber vielleicht war es doch ernst
gemeint. Wahrscheinlich war er vor seinem
Entschluss dann zurückgeschreckt. Wozu aber der Brief?
    Ich habe alles Perihan erzählt. Ihr
tut Muhittin leid.
    Muhittin hat gesagt, er wolle mich
nie wiedersehen, auf keinen Fall mehr. Das hatte er allerdings auch schon
gesagt, als wir zuletzt zusammen getrunken hatten. Ich habe auf ihn eingeredet,
er solle doch bitte keine solchen Scherze machen, aber er hörte mir gar nicht
zu und spähte nur immer wieder in die Wohnung hinein. Als er schon im Gehen
war, machte er noch die Treppenhausbeleuchtung an, und da sagte ich spontan:
»Mensch, Muhittin, du solltest heiraten!« Er lachte nur und ging.
    Was ich jetzt geschrieben habe, gibt
erneut das Geschehen nur unvollständig wieder!
    Dienstag, 3. Oktober
    Ich komme aus der Firma. Morgens
gehe ich zu Fuß hin, und abends nehme ich entweder ein Taxi, oder ich fahre mit
der Trambahn bis Taksim und gehe dann wie heute den Rest zu Fuß. Es ist sechs
Uhr. Ich habe ein wenig mit Perihan geredet. Am Vormittag war sie mit Melek im
Park und nachmittags zu Hause. Morgen fährt sie zu Sema. Dann habe ich mich mit
einer Tasse Tee in dieses Zimmer zurückgezogen. Was soll ich nun in Angriff
nehmen? Irgendwelche Projekte? Mein Programm?
    Donnerstag, 5. Oktober
    Ich komme aus der Firma. Hatte ich
nicht vor, ab Herbst nicht mehr dorthin zu gehen? Ich bin erst mal umgezogen,
und die Arbeit in der Firma gebe ich auf, wenn ich die Sache mit dem Verlag
gründlich durchdacht habe. Sobald die Kleine schläft, gehen wir ins Kino. Ich
muss regelmäßiger schreiben.
    Sonntag, 15. Oktober
    Seit dem Umzug sind zwanzig Tage
vergangen, und noch immer sind wir mit dem Einrichten beschäftigt! Perihan hat
Stoff für Bettüberzüge gekauft und ihn mir gezeigt, während ich gerade las
(Schopenhauers Aphorismen!). Sie hält mir also den Stoff hin, und ich sehe zwar von meinem Buch hoch, schiele
aber immer wieder hinein, und als sie mich nach meiner Meinung fragt, sage ich
nur »Jaja, der ist gut!«, und sie sagt darauf, dass ich mich überhaupt nicht um
sie kümmere und immer nur gleich in dieses Zimmer verschwinde, und als ich dann
sage, dass ich nicht mein ganzes Leben mit Bett- und Vorhangstoffen verbringen
will, schreien wir uns gegenseitig an, bis sie schließlich weint. Tränen,
Versöhnung, Umarmung! Jetzt sitze ich hier mit meinem Tee und komme mir neben
Schopenhauer erbärmlicher vor denn je.
    Freitag, 20. Oktober
    Ich muss endlich das Programm
fertigbekommen, für das ich den ganzen Frühling und Sommer gearbeitet oder
zumindest viele Bücher gelesen habe. Die Türkei braucht wirklich und wahrhaftig
eine neue kulturelle Bewegung. Ich weiß, dass jeder diesen Gedanken für genauso
utopisch hält wie meine früheren Projekte. Mein Traum von einer Dorfreform war
allerdings tatsächlich von jeglicher Realität weit entfernt, während ich nun
etwas vorhabe, das ich mit meinem eigenen Geld und meiner eigenen Arbeit
verwirklichen kann. Ständig schreibe ich neue Bücher auf, die von jedermann
gelesen werden sollten, und streiche andere wieder weg.
    Freitag, 27. Oktober
    Ich habe einen Brief von Süleyman
Ayçelik bekommen. Er fragt mich nach meinen derzeitigen Ansichten, aber ich
lese einen leisen Spott heraus, der mich sehr verärgert. Ich werde ihm nicht
zurückschreiben.
    Samstag, 28. Oktober
    Ein Brief von Ömer. Er erzählt, was
er so treibt. Er will den ganzen Winter dort verbringen und lädt uns ein. Schon
im Sommer hatte er so etwas angedeutet. Sollen wir hin? Warum nicht!
    Eine Stunde später. Ich habe mit
Perihan darüber gesprochen. Zu meiner Überraschung war sie sofort Feuer und
Flamme. »Dann fahren wir doch hin!« habe ich gesagt. Sie meint, nach dem Umzug
und dem Einrichten der Wohnung könnten wir eine Pause gut gebrauchen. Ich bin
ganz aufgeregt! Ich weiß ja, dass ich manchmal sehr kindlich reagiere. Wir
fahren jetzt gemeinsam zu meiner Mutter zum Essen. Um diese alberne Sitte
kommen wir nicht herum!
    Es ist Abend, und wir kommen gerade
erst vom Essen. Perihan und ich reden dauernd über die Reise. Wir fahren also
hin! Beim Essen haben wir es den anderen gesagt, und da Perihan mitkommt,
konnten sie nicht viel dagegen einwenden. Meine Mutter hat nur gefragt, was wir
bei der Kälte nur dort wollen. Wäre uns doch irgendeine Notlüge eingefallen!
Aber wir lassen ihr ja Melek.
    Sonntag, 29. Oktober
    Ich habe die Fahrkarte gekauft!
Jetzt ist es

Weitere Kostenlose Bücher