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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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letzten zehn, elf Wochen hatte sich Nigâns
Zustand so sehr verschlimmert, dass sie manche Leute überhaupt nicht mehr
erkannte. Nermin empfand es als Ungerechtigkeit, dass sie dazugehörte.
    »Perihan?« murmelte Nigân zweifelnd.
    »Perihan hat doch einen anderen
geheiratet! Ich bin’s, Ihre Schwiegertochter! Erkennen Sie mich denn gar
nicht?« rief Nermin. Dann wandte sie sich verärgert zu Osman: »Das macht sie
mit Absicht!«
    »Warum sollte sie das? Mein Gott,
sie ist eben krank und erkennt dich nicht!«
    Nermin setzte sich murrend in eine
Ecke. Ahmet fürchtete, das Ganze würde in einen Streit zwischen den beiden
ausarten. Osman zündete sich eine Zigarette an, worauf Nermin gleich sagte, er solle
nicht rauchen. Osman knurrte nur etwas, dann schwiegen beide.
    »Was habt ihr in der Fabrik
gemacht?« fragte Nigân plötzlich.
    »Was sollen wir schon gemacht
haben?« erwiderte Osman gereizt. »Wir haben uns umgeschaut! Ob alles in Ordnung
ist! Und das ist es auch! Die arbeiten alle brav!«
    »Und was machen sie?«
    »Glühbirnen machen sie, Mama!
Glühbirnen!«
    »Musste es so weit kommen mit uns!«
jammerte Nigân. Sie hatte noch immer nicht den Streik verwunden, der die Fabrik
zwei Jahre zuvor schwer getroffen hatte. Alles, was mit der Fabrik
zusammenhing, versetzte sie seither in eine Katastrophenstimmung. Sie brachte
alles mit der »dramatischen Lage« in Zusammenhang, von der in den Zeitungen die
Rede war, und musste überhaupt bei jeder schlechten Nachricht daran denken,
dass nichts so lief, wie es sollte.
    »Keine Sorge, es ist alles in
Ordnung!« beschwichtigte Osman.
    »Wie soll ich mir keine Sorgen
machen, wenn doch alles schiefgeht! Wer hätte das früher gedacht, dass es mit
Cevdets Firma einmal soweit kommt? Hätte er das so gewollt? Keiner kennt mehr
den anderen. Weißt du, was Ziya gestern gesagt hat?«
    »Was hat er gesagt?« fragte Osman
scharf.
    »Dieser freche, unverschämte
Mensch!«
    Osman wandte sich zu Emine: »Lass
ihn das nächstemal nicht mehr herein! Schick ihn zu uns runter! Also, was
wollte er?«
    »Er hat mit Ahmet gesprochen«, sagte Emine.
    »Ach ja? Worüber?«
    Ahmet sah Osmans besorgte Miene und
sagte fast vergnügt: »Ach nichts!« Dabei dachte er: »Soll ich es ihm sagen?
Dass ein Putsch kommt? Ein linker Putsch! Dann wird aufgeräumt in
Nişantaşı!« Wieder einmal wünschte er sich einen solchen Putsch
herbei.
    »Was hat er dir erzählt?« fragte
Osman. »Was für Lügen hat er verbreitet? Fünfundsiebzig ist er jetzt, aber das
Lügen und Drohen kann er nicht lassen! Also, was hat er gesagt?«
    Ahmet konnte sich nicht mehr
beherrschen. »Dass die Armee wieder putscht, so wie 1960!«
    »Woher will er das wissen? Und was
geht das uns überhaupt an?«
    Mit diebischer Freude erklärte Ahmet:
»Es soll ein Putsch gegen die Montageindustrie sein, hat er gesagt! Ein linker
Putsch gegen Demirel und gegen die Montageindustrie!«
    Osmans Miene verfinsterte sich.
Ahmet dagegen hätte am liebsten losgelacht.
    In der öffentlichen Meinung gab es
tatsächlich große Vorbehalte nicht nur gegen den Ministerpräsidenten, sondern
auch gegen die angeblich zu sehr auf bloße Montage und nicht auf eigenständige
Produktion ausgerichtete Industrie. Es war dies ein Thema, das Osman in Rage
bringen konnte. Immer wieder beteuerte er, in seiner Fabrik werde nicht nur
Montage betrieben, sondern richtig produziert, und das sei auch durch Zahlen zu
beweisen.
    »Hast du ihm wenigstens gesagt, dass
wir keine Montagefirma sind?« Osman war bestrebt, seine Erregung zu kaschieren.
    »Von unserer Fabrik war doch gar
nicht die Rede!« sagte Ahmet und fügte schmunzelnd hinzu: »Und außerdem kenne
ich die neuesten Zahlen gar nicht!«
    »Wir sind jetzt bei vierundachtzig
Prozent Eigenproduktion!«
    »Na, das kann man ja nicht mehr Montage nennen!«
    Gereizt fragte Osman: »Und was hat
er noch gesagt?«
    »Er hat über meinen Vater und meinen
Großvater geredet.«
    »Er kannte Refık doch kaum!«
    »Vor allem hat er von seinem eigenen
Vater erzählt, und zu dem habe ich ihm auch Fragen gestellt. Scheint ein
interessanter Mensch gewesen zu sein, der sich mit Politik beschäftigt hat.«
    »Ein Säufer war er! Das hat mein
Vater immer gesagt!«
    Verärgert benutzte Ahmet nun doch
das Wort, das er sich zuvor noch verkniffen hatte: »Er war anscheinend ein
Revolutionär!«
    Osman lachte auf. »Ja, von den
Phantastereien Nusrets hat mein Vater mir zur Genüge berichtet!«
    »Es sollen da aber recht
interessante

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