Cevdet und seine Soehne
Dinge passiert sein!« murmelte Ahmet, merkte aber gleich, dass er
ein wenig zu weit ging.
»Was denn? Was hat der Kerl sich
wieder aus den Fingern gesogen?« fragte Osman, und als er sah, dass seine Frage
Ahmet eher belustigte, stand er wütend auf. »Gehörst du etwa auch zu denen? Was
bist du eigentlich für ein Mensch?!« Yılmaz räumte gerade das leere Tablett ab, und da fiel Osman etwas
ein. Verschlagen lächelnd sagte er: »Ach ja, Ahmet, du kommst doch heute abend
zu uns zum Essen?« Er drehte sich zu Nermin: »Das soll er doch, nicht wahr?«
»Ja, klar!« erwiderte Nermin. »Heute
abend kommen so gut wie alle.«
Osman ging im Zimmer auf und ab.
»Soso, dann behauptet er also, wir machen nichts weiter als Montage! Und du
stopfst ihm nicht das Maul!«
Nermin sagte: »Reg dich bitte nicht
schon wieder auf!«
»Ich bin jetzt vierundsechzig!
Wenn’s ums Geschäft geht, habe ich mich schon immer aufgeregt, und das wird
sich auch nicht ändern!«
»Wo geht er denn hin?« fragte Nigân.
»Herrgott, nirgends gehe ich hin!
Ich bin doch da, Mama!«
Nermin stand plötzlich auf und hielt
mit durchtriebener Miene ihr Gesicht ganz nah an das von Nigân: »Wer bin ich?
Erkennen Sie mich? Los, sagen Sie schon, wer bin ich?«
»Perihan bist du, und du hast früh
geheiratet!«
Osman lachte schallend, und Nermin
setzte sich geknickt wieder hin. Yılmaz fragte, wer Kaffee wolle. Nermin sagte
missmutig, sie gehe jetzt hinunter.
Ahmet rückte an Osman heran und
sagte: »Ich schau noch mal in Papas Zimmer rüber. Ich habe dort gestern alte
Bücher gesehen!«
»Bücher … Und du hast ihm also
keine Antwort gegeben! Wenn er noch mal kommt, dann schickt ihn zu mir runter.
Und vergiss nicht: Wenn man eine Industrie aufbauen will, dann ist Montage dazu
ein notwendiges Vorstadium!«
»Ach, wenn du mich fragst, dann bin
ich sowieso gegen einen Putsch!« erwiderte Ahmet und machte sich in das andere
Zimmer auf. Dann dachte er: »Das stimmt zwar, aber das brauche ich ihm doch
nicht zu sagen! Verdammter Moralismus!« Er ging durch den Korridor und hörte
dabei das Ticken der Uhr. Nachdem Refık sich von Perihan getrennt hatte,
hatte er die letzten zehn Jahre seines Lebens in jenem Zimmer verbracht. Nun
hatte Ahmet, vielleicht bedingt durch die schlechte Verfassung seiner
Großmutter, vor etwa einer Woche an den alten Sachen in der Wohnung zum
erstenmal Interesse gezeigt. In den Bücherregalen und im Schrank seines Vaters hatte er sich zwar schon früher
umgesehen und auch das eine oder andere Buch an sich genommen, doch förderte er
auch jetzt wieder manches zutage, ein Heft etwa, das sich als Tagebuch seines
Vaters herausstellte. Er hatte die alte arabische Schrift nicht lesen können
und das Heft İlknur gegeben, die ihren Doktor in Kunstgeschichte machte.
So würde er nicht nur erfahren, was in dem Heft stand, sondern auch, ob
İlknur in der alten Schrift wirklich so firm war, wie sie behauptete. Vor
der Tür fiel Ahmet ein, dass sich in dem Zimmer oft die Krankenschwester
aufhielt, wenn sie am Bett Nigâns nicht gebraucht wurde. So klopfte er an,
bevor er eintrat. Die Krankenschwester saß rauchend auf dem Bett.
»Entschuldigen Sie die Störung. Ich
wollte mir nur ein paar Bücher anschauen!« Dabei dachte er: »Was bin ich
wieder mal höflich!«
»Aber ich bitte Sie, Sie sind hier
zu Hause!« erwiderte die Krankenschwester.
Ahmet ging zum Regal und betrachtete
die Buchrücken. Er fand nichts Besonderes und fühlte sich von der Frau
beobachtet. Zielstrebig öffnete er den Unterschrank, in dem er das Heft
gefunden hatte, und kramte ein wenig darin umher – vergeblich.
»Sie sind mir doch nicht böse wegen
vorhin?«
»Warum denn?«
»Ich hoffe, Sie denken nicht, dass
ich mich Ihrer Großmutter gegenüber ungebührlich benommen habe.«
Noch über das Schrankfach gebeugt,
sagte Ahmet: »Wie kommen Sie darauf?«
»Wir haben nur gescherzt! Wissen
Sie, es ist nicht immer leicht als private Krankenschwester. Manchmal hat man
es einfach über! Da gibt es Patienten – zum Glück nicht Ihre Großmutter –, die
muss man wieder und wieder saubermachen …«
»Ja, bestimmt schwierig!« sagte
Ahmet.
»Wir haben also nur gescherzt.
Manchmal gehen einem die Nerven durch.«
Ahmet suchte weiter in dem Schrank
herum.
»Ich arbeite immer in guten
Familien, so wie bei Ihnen. Kennen Sie die Gülmens? Da bin ich mit der Frau
immer nachmittags an den Bosporus gefahren.«
Ahmet stieß auf ein Heft und schlug
es erregt auf: wieder
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