Cevdet und seine Soehne
fertig!«
»Und wie wird es, wenn es fertig
ist?«
»Weiß ich noch nicht!«
»Och!« rief Melek wie ein
naseweises Kind, dem der Vater ein Rätsel aufgibt. Dann zeigte sie auf ein
anderes Bild: »Das da ist doch fertig, oder? Was soll es ausdrücken? Eleganter
Mann mit Krawatte und Frau mit Brille … Also, was willst du damit sagen?«
»Ich sage das, was das Bild sagt!«
»Ach, du redest dich immer heraus!«
Dann sah sie sich wieder um, als habe sie sich nach dem ersten Überschwang nun
ein Urteil gebildet. Schließlich sagte sie mit ernster Miene: »Oma geht es
nicht besonders, was?«
»Nein.«
»Ich frage mich, ob –«
»Was denn?
»Ach, ich weiß auch nicht. Sie tut
mir leid. Gestern habe ich sie die ganze Nacht –« Erschrocken stand sie von dem
Hocker auf, auf den sie sich gerade gesetzt hatte.
»Bleib nur sitzen!« sagte Ahmet.
»Die Farben sind total eingetrocknet.«
»Und ich dachte schon! Das sieht
aber auch aus bei dir!«
»Jetzt beleidigst du mich aber! Ich
räume eher zuviel auf …«
»Ach ja? Und wer kehrt hier mal durch? Emine?«
»Fatma kommt alle vierzehn Tage«,
sagte Ahmet geniert.
»Ist das die von Cemil? Unsere ist
uns abgehauen, weißt du das schon? Keine Ahnung, warum. Vor drei Tagen …«
Seufzend sah sie Ahmet an. »Mir tut Oma so leid!«
»Ja.«
»Langweile ich dich? Lass mich wenigstens
noch eine Zigarette rauchen, dann gehe ich. Oder ich rauche sie auch nicht,
wenn’s dich stört. Gegenüber Ferit stelle ich dich immer als Vorbild hin. Ich
sage immer, der Junge hat vor vier Jahren auf einen Schlag aufgehört und
seither durchgehalten!« Sie holte ein Feuerzeug aus der Tasche und machte es
an. »Und weißt du, was er darauf sagt? Dass du eben ein Künstler bist! Dabei
rauchen und saufen Künstler sonst, was sie nur können! Mensch, lass dir doch
einen Bart stehen!«
»Du verbrennst dich noch!«
»Au, stimmt! Rede ich zuviel?«
Sie zündete ihre Zigarette endlich
an. Ahmet setzte sich auf einen Stuhl.
»Sie tut mir wirklich leid!«
wiederholte Melek.
»Warst du bei ihr?«
»Klar. Ich habe meinen Mantel und
meine Einkäufe bei ihr gelassen.«
»Habt ihr euch unterhalten?«
»Natürlich, du weißt doch, wie gern
sie mit mir redet! Sie hat mich sofort erkannt und sich gefreut. Dann hat sich
mich gefragt, wie alt ich bin, und als ich gesagt habe, dreiunddreißig, hat sie
wieder gesagt, dass ich eine Woche nach dem Tod von Cevdet geboren bin, um sie
zu trösten, und dass ich deshalb etwas Besonderes für sie bin. Sie hat sich
nach deinem Schwager erkundigt, und dann habe ich ihr noch Verschiedenes
erzählt. Sie war richtig gut drauf.«
»Tatsächlich? Als ich bei ihr war –«
»Die Krankenschwester hat sich auch
gewundert. Oma freut sich halt über mich. Die Krankenschwester hat mich dann
fortgeschickt, damit Oma sich nicht so anstrengt. Mir tut sie so leid!«
»Ja.«
Sie schwiegen, und Ahmet dachte,
seine Schwester werde sich bald langweilen und dann gehen, aber so leicht war
sie nicht loszuwerden. Sie stand wieder auf und sah sich die Bilder an. Ahmet
schaute auf ihren ungeschlachten Körper, die breiten Hüften, die langen,
schweren Beine. Jedesmal wenn er sie so sah, fragte er sich, was wohl sein
Schwager für ein Mensch war und worüber sie beim Abendessen reden mochten.
Ferit war ein angesehener Anwalt.
Lächelnd wandte Melek sich wieder
um. »Was machst du denn sonst so? Triffst du dich mit Leuten? Wo gehst du
abends hin?«
Ahmet dachte: »Die führt doch was im Schilde!«
»Ferit hat dich nämlich an der Ecke
der Polizeiwache mit einem Mädchen gesehen!«
»Ach ja?«
»Und die hat ihm gut gefallen! Ihr
sollt an ihm vorbeigegangen sein, und da konnte er sie gut beobachten. Na sag
schon, wer ist die, was macht sie? Mensch, Ahmet, kann man über gar nichts
reden mit dir? Dein Schwager hat gesagt, die macht einen vernünftigen Eindruck.
Also, wer ist sie?« Als Ahmet immer noch keine Antwort gab, sagte sie: »Du Stoffel,
du! Heirate endlich mal!«
»Wie kommst du jetzt darauf?«
Melek setzte sich. »Ferit meint,
wenn du heiratest, kannst du es zu was bringen. Weil das Mädchen dich auf die
richtige Bahn bringt!«
»Na schön«, knurrte Ahmet.
»Du weißt doch, wie sehr Ferit dich
mag! Er sagt, als junger Kerl war er auch so wie du, so rebellisch veranlagt,
aber als er mich kennengelernt hat, ist er zur Vernunft gekommen.«
»Ich bin immerhin schon dreißig!«
»Na eben! Ferit war achtundzwanzig,
als wir uns kennengelernt haben. Und er sagt, obwohl
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