Cevdet und seine Soehne
heimbringen
kann. Die soll noch warten!« Dann wandte er sich wieder seinem Vater zu.
»Gib vor allem auf die Anzeigen
acht!« flüsterte Osman. »Nicht dass wieder alle Namen falsch geschrieben sind,
wie damals bei meinem Vater!«
»Klar, mache ich!« erwiderte Cemil
und drehte sich zur Seite, um seinem Vater nicht den Rauch ins Gesicht zu
blasen.
Ahmet erschien es auf einmal
unziemlich, einfach nach oben zu gehen. Er setzte sich irgendwohin, doch kaum
saß er, bat ihn Ayşe um ein Glas Wasser. So ging er in die Küche, sagte
ein paar tröstende Worte zu der weinenden Emine und schenkte dann ein Glas
Wasser ein, das er Ayşe brachte. Um nicht wieder Nigân ansehen zu müssen,
ließ er seinen Blick über die Möbel gleiten, über die Fotos von Cevdet, die
Porzellantassen, das Buffet. Beim Anblick der teuren Porzellansachen fielen ihm
wieder Hasan und die Zeitschrift ein. Irgendwann stand er doch auf und ging
hinaus, um zu arbeiten.
Er stieg die Treppe hinauf, aber
droben merkte er, dass er doch nicht gleich würde arbeiten können, und trat auf
den Balkon hinaus. Er lehnte sich an die Brüstung und sah auf
Nişantaşı hinunter.
Der Platz war öde und leer. Ein Hund
trottete mitten auf der Straße dahin. Neben dem Kiosk stand ein Auto mit
geöffneter Tür. Gegen Ende der Straße zitterte irgendwo eine Neonreklame.
Lärmend fuhr ein Taxi vorbei, dessen Melodiehupe von den Fenstern widerhallte.
Bei dem Auto vor dem Kiosk wurde die Tür zugeschlagen, und es fuhr los. Dann
wurde es ganz still. Ahmet hörte nur das Britzeln einer Leuchtreklame. Da
schepperte es auf einmal. Ahmet beugte sich vor: Von einer Mülltonne war der
Deckel heruntergekullert, und Katzen stoben davon. Als die Katzen merkten, dass
weiter nichts passierte, schlichen sie wieder heran. Etwas aufgeheitert sah
Ahmet zum nichtssagenden Himmel empor. Dann ging er hinein, um zu arbeiten.
1974-78
NACHWORT
Vierunddreißig Jahre nachdem ich mich im Alter von
Zweiundzwanzig an die Niederschrift von Cevdet und seine Söhne gemacht
hatte, kam mir in den Sinn, an zwei Stellen meines Romans Museum der
Unschuld, der schließlich 2008 veröffentlicht wurde, wieder die Familie
Işıkçi vorkommen zu lassen. Als Vecihe, die Mutter des Romanhelden Kemal, ihrem
Sohn über Liebeskummer hinweghelfen möchte, spricht sie von einem Mädchen, das
in Suadiye, wo die Familie ein Sommerhaus hat, zu einer von Nachbarn
veranstalteten Party kommen soll, und sie erwähnt dabei das Motorboot der
Familie Işıkçı.
Da ich mich bis vor kurzem noch dagegen gesträubt habe, Cevdet und seine
Söhne in andere Sprachen übersetzen zu lassen, dürfte nur wenigen Lesern
aufgefallen sein, dass es sich bei den von Vecihe genannten Işıkçıs um die
Helden meines ersten Romans handelte. Das Motorboot, mit dem sie 1976 bei den
Nachbarn der Familie Basmacı
anlegen, müssen sie sich nach Nigâns Tod im Jahre 1970 angeschafft haben, um
von ihrem Sommerhaus auf Heybeliada bequemer Spazierfahrten unternehmen zu
können. Dass Cevdets Enkel Ahmet, der Maler werden will, trotz guten Zuredens
seiner liebevollen Schwester Melek zur Teilnahme an solchen Touren kaum zu
bewegen ist, lässt sich denken. Und führe er doch mit, so würde er dabei
gewiss, so wie ich selbst in jenem Alter, einerseits das fröhliche
Familientreiben genießen und sich andererseits darüber aufregen, dass sich
niemand in seiner Verwandtschaft für Bücher, Kunst oder Politik interessiert.
Glück heißt für mich, dass man sich im Schoß einer unbekümmert lärmenden und
lachenden Familie wärmen darf, aber dabei auch wieder genug Ungeduld und sogar
Wut entwickelt, um danach im stillen Kämmerchen mit Pinsel oder Stift seine
eigene Welt zu kreieren. Ähnlich war ja auch mein Verhältnis zu der halb bürgerlichen, halb osmanischen
Istanbuler Familie, in der ich aufwuchs, und in den eher wütenden Phasen
spöttelte ich auch gerne. So sieht man denn auch in einem anderen Kapitel des Museums
der Unschuld, als die Işıkçıs zusammen mit anderen
bürgerlichen Familien einer Verlobung im Hotel Hilton beiwohnen, wie an einem
der hinteren Tische die Familie Pamuk sitzt und der im Jahre 1975 an Cevdet
und seine Söhne arbeitende Orhan das ganze Treiben mit spöttischer Miene
betrachtet.
Trotz der vielen Ähnlichkeiten
zwischen Cevdets Familie und der Familie Pamuk gibt es doch auch einen
grundlegenden Unterschied. Während Cevdet bereits in den letzten Jahren der Ära
von Sultan Abdülhamit (1876-1909) ins Geschäftsleben
Weitere Kostenlose Bücher