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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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Fleisch?«
    »Fleisch? Ach was, ich habe
keinerlei Appetit. Aber essen muss ich eigentlich was. Wenn ich jetzt Fleisch
esse, werde ich dann wieder gesund, was meinst du? Ach nein. Nicht in diesem
Stadium. So habe ich es ja gelernt als Student.« Er
breitete resigniert die Arme aus. »Wenn man in dieses Stadium kommt, ist bald
alles vorbei. Und das ist es ja auch.« Er fasste Cevdet am Arm. »Aber das will
keiner begreifen. Du sitzt hier und denkst daran, dass du gleich nach Hause
gehst und dass du eine Paşatochter heiraten wirst, und du denkst an deine
anderen Pläne und Intrigen, aber vergiss nicht: Auch du wirst einmal sterben!
Jetzt aber lebst du, und noch dazu verachtest du mich.« Er ließ den Arm seines
Bruders wieder los. »Ich verachte dich auch, verstehst du, ich sehe auf dich
herab. Weil du so seelenlos bist! Du lebst wie all die anderen Dummköpfe! Geld,
Familienleben, alltägliche Nichtigkeiten, Geschäftssorgen … Seelenlos bist
du! Ich glaube, es hat geklopft.«
    Cevdet stand auf und öffnete die
Tür. Es waren Mari und Ziya.
    »Wir haben Tavukgöğsü gegessen und
Reispudding!« sagte Mari.
    »Und hat es geschmeckt?« fragte Nusret.
    Ziya merkte, dass die Frage an ihn
gerichtet war, lächelte aber nur.
    »Ob es geschmeckt hat, Junge? Hm, anscheinend
schon. Mari bringt dich jetzt in das Hotel nebenan. Du weißt doch, was ein
Hotel ist? Sie geht mit dir dorthin und bringt dich ins Bett. Da schläfst du
dann, und zwar allein, du bist doch ein großer Junge und hast keine Angst! Oder
hast du doch Angst? Du fürchtest dich wohl vor dem Dunkel, was? Gib doch
Antwort … Gib deinem Vater endlich Antwort!« Wütend rief er: »Mari, bring ihn
weg! Geh jetzt und schlaf, und lern endlich antworten, wenn man dir eine Frage
stellt!«
    Mari nahm Ziya bei der Hand: »Komm,
ich bringe dich jetzt zu Bett. Ich bin gleich zurück!«
    Nusret unternahm einen letzten
Versuch: »Was machst du denn jetzt, Ziya?« Als er wieder keine Antwort bekam,
lachte er nervös. »Ziya, mein Junge, was machst du jetzt? Weißt du nicht, was Ziya
bedeutet? Licht bedeutet es. Und was macht das Licht? Ach, bring ihn weg, er
soll schlafen. Setz dich ein wenig an sein Bett und lass die Lampe noch an,
denn die haben ihn schon soweit gebracht, dass er sich vor dem Dunkel fürchtet.
Fürchtest du dich, Junge? Mit dir rede ich, hast du deine Zunge verschluckt?«
Er streckte seine belegte Zunge heraus. »Die Zunge! Ob du sie verschluckt hast,
mein Sohn? Der bringt ja keinen Ton heraus vor lauter Angst! Ach, gute Nacht!«

11
  INTELLIGENTE UND DUMME
    Kaum waren Mari und Ziya draußen, musste
Nusret fürchterlich röchelnd husten. »So ein Dummkopf! Mein Sohn ist dumm!«
rief er und hustete gleich wieder. »Sie haben ihn zu einem Dummkopf gemacht! Zu
einem Dummkopf und Feigling! Wie haben sie das nur so schnell geschafft? Mit
ihrem entsetzlichen Aberglauben, ihrer Furcht und wahrscheinlich auch mit
Prügeln!«
    »So schlimm ist der Junge doch gar
nicht!«
    »Nicht so schlimm? Siehst du nicht,
wie er einen anschaut? So ganz feige von unten her? Du nimmst ihn doch zu dir,
ja? Du hast es versprochen!«
    »Ja!«
    »Versprich es mir noch mal! Damit
ich in Ruhe sterben kann …«
    »Ich verspreche es dir!« sagte
Cevdet. Als er merkte, dass er unwillkürlich schon wieder zu der Quaste griff,
steckte er verärgert die Hand in die Tasche. »Ich habe mein Taschentuch
vergessen!« dachte er erneut.
    »Gut, du hast es also versprochen.
Und ich vertraue dir.«
    Sie schwiegen. Im Treppenhaus hörten
sie Schritte. Jemand ging pfeifend an der Tür vorbei.
    »Ha, der pfeift sich eins! Er lebt!
Ich will auch leben. Das ist ungerecht! Ich möchte wissen, was die anderen
Menschen tun. Seit einem Monat bin ich aus diesem Zimmer nicht herausgekommen.
Warum pfeift der? Weil er dumm ist! In dieser hässlichen, fürchterlichen Welt
können nur Dummköpfe fröhlich sein. Dummköpfe … Ich bin keiner, ich weiß
alles, und ich sterbe. Schau mich doch nicht so an! So angstvoll! Du fürchtest
und ekelst dich wohl vor mir?«
    »Aber Nusret, ich habe allerhöchste
Achtung vor dir!«
    »Das will ich aber gar nicht. Weil
du glücklich bist! Du bist vielleicht nicht dumm, aber mit deinem Leben
zufrieden! Weil du keine Seele hast. Nur wer keine Seele hat, kann so
lächerliche Kleider wollen, so eine Kutsche und eine Paşatochter!«
    »Ich konnte eben nie so wütend
werden wie du!«
    »Was sagst du da? Komm, gehen wir
raus. Ich will Menschen sehen. Was sie so machen. Ich will sie

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