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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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denkt keiner. Und sollte Abdülhamit mit dem Geldbeutel winken, den
Leuten ein Amt in Aussicht stellen oder Anstalten machen, das Parlament wieder
zuzulassen, dann würden sie alle herbeigerannt kommen. Sogar der große Mizancı Murat ist still und leise
wieder heimgekrochen. Und da soll dieses unentschlossene Soldatenpack etwas
bewegen? Nie wird da was daraus!«
    Damit waren sie in Gefilde
abgedriftet, von denen Cevdet nichts verstand. Kleinlaut sagte er: »Das wusste
ich natürlich nicht!«
    »Das wusstest du nicht! Woher
solltest du auch! Wenn man sich immer nur mit Geld beschäftigt!«
    Sie verstummten. Cevdet hatte sich
über die unverhoffte Gelegenheit gefreut, sich seinem Bruder gegenüber als
tolerant zu erweisen, aber er musste erkennen, dass er wegen seiner Schuldgefühle
nicht dazu in der Lage war. Was er hatte sagen wollen, erschien ihm nun
unsinnig und fern. Auch mit der Gelöstheit, die er in dem Garten in
Nişantaşı empfunden hatte, war es schon wieder vorbei. »Ich
werde dort wohnen!« dachte er nur.
    »Ich hatte dir gesagt, dass du mir
einen Gefallen tun sollst«, sagte Nusret schließlich und sah Cevdet dabei ins
Gesicht. »Ich möchte, dass du für Ziya etwas tust. Nach meinem Tod …«
    »Jetzt fängst du schon wieder damit
an!«
    »Lass doch das Geschwätz! Ich möchte
folgendes von dir: Du sollst Ziya nach meinem Tod zu dir nehmen!«
    »Zu mir nehmen?«
    »Ja, er soll bei dir leben! Dein
Haus soll sein Haus sein!«
    »Und was ist mit Haseki? Mit seiner
Mutter und den anderen Verwandten?«
    »Gerade da will ich ihn eben nicht
lassen! Wenn er bei denen weiterlebt, machen sie einen Dummkopf aus ihm. Dann
wird er genauso vermurkst und träge, genügsam und schlafmützig wie sie!
Verstehst du mich?«
    »Mein Haus wird Ziya jederzeit
offenstehen.«
    »Das meine ich nicht. Er soll nicht
nur kommen und gehen können, wann er will, sondern bei dir wohnen. Das will
ich! Und nach Haseki soll er überhaupt nicht zurück. Und seine Mutter nie
wiedersehen. Denn die –«
    »Aber ich habe Tante Zeynep doch
versprochen, dass ich ihn zurückbringe!«
    »Was? Warum hast du so was
versprochen?«
    »Weil sie so sehr darauf gedrungen
hat, dass er bald wiederkommt. Als hätte sie schon geahnt, was du von mir
willst …«
    »Soso, geahnt! Sie will ihn also zurück?
Sie findet ihn lieb. Eigene Kinder hat sie ja nicht. Sie wird ihn küssen und
streicheln, bis er so verdummt wie sie selber! Und ihren unsinnigen Glauben
wird sie ihm einimpfen, ihre Trägheit, ihre ganze erbärmliche Welt! Nein! Ich
will nicht, dass mein Sohn so aufwächst! Mein Sohn soll –«
    Auf einmal wurde er von einem
Hustenanfall geschüttelt. Cevdet hielt ihm den Spucknapf hin, der auf der
Kommode stand. Zuerst machte Nusret eine abwehrende Handbewegung, dann aber
riss er den Napf an sich und spuckte hinein.
    »Du siehst ja, wie schlecht es mir
geht! Ich weiß, dass ich nur mehr ein paar Tage zu leben habe. Das einzige, was
ich noch will, ist für Ziyas Zukunft sorgen. Und wenn er bei dir lebt, dann
habe ich das erreicht! Wenn er dagegen in Haseki bleibt oder im Dorf bei seiner
Mutter, dann wird er wie sie an Gott glauben und an alle möglichen Lügen, und
er wird so schlafmützig wie die Leute dort und von der Welt nichts begreifen.
Sie haben ihn ja jetzt schon fast soweit! Heute morgen hat er mir vom Paradies
erzählt und von Engeln und Hexen. Er glaubt an das ganze Zeug. Meine
Hexenimitation vorhin hat er gar nicht kapiert. Ich will nicht, dass mein Sohn
so ist, verstehst du, Cevdet? Er soll nicht an diese Lügen glauben, sondern an
seinen Verstand und an sich selbst. An die Strahlkraft des Geistes … Ich habe
ihm doch nicht umsonst einen Namen gegeben, der Licht bedeutet!« Nach einer
Weile fügte er leise hinzu: »Cevdet, wenn du Ziya nicht zu dir nimmst, werde
ich nicht in Ruhe sterben können!«
    »Es ist nicht recht, immerfort vom
Tod zu reden!« rief Cevdet und errötete gleich danach, weil er mit dem, was
nicht recht war, eigentlich etwas anderes meinte.
    »Versprich es mir! Versprich es
mir!« rief Nusret.
    »Ich verspreche es dir!« sagte
Cevdet. Und dann, als ob es nun nichts Wichtigeres zu tun gäbe, nahm er seinen
Fes von der Kommode und strich die Quaste glatt.
    »Du versprichst es mir also?«
    »Ich habe es doch gesagt!« Cevdet
hielt sich die Quaste nah ans Gesicht und kämmte sie mit den Fingern.
    »Cevdet, begreif mich, ich flehe
dich an! Ich habe diesen Jungen völlig vernachlässigt. Ich habe ihn nach Haseki
gebracht und

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