Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
Vom Netzwerk:
einem Gesicht stirbt binnen
einer Woche!«
    »Hör bitte auf damit!« flehte
Cevdet.
    »Du fürchtest dich wohl, was? Du
hast Angst vor dem Tod! Weil du lebst und eine Paşatochter heiratest. Du
bist gesund!«
    »Mach das nicht mehr!«
    Nusret wandte sich seinem Sohn zu.
»Na, wie sehe ich aus? Fürchtest du dich vor deinem Papa? Bäääh! Ich bin der
schwarze Mann! Hahaha, die Hex ist da!«
    Der Junge wusste nicht, ob er lachen
oder weinen sollte. Da lag der Mensch, der doch am traurigsten sein musste, in
seinem Bett und machte Faxen. Schließlich lächelte der Junge doch.
    Mari rief aus: »Ich bitte dich
inständig, hör jetzt auf, solche Fratzen zu schneiden!«
    Da merkte Ziya, dass die
Fröhlichkeit nur gespielt war, und verzog das Gesicht. Er war den Tränen nahe.
    Nusret nahm daraufhin die Hand aus
dem Gesicht und hielt sie sich hinters Ohr. »Schau dir meine Segelohren an!«
Als das seinen Sohn nicht aufheiterte, drückte er die Daumen auf die
Ohrläppchen, wackelte mit den Händen herum. Auch das blieb ohne Erfolg. »Ach,
Mari, geh doch mal runter mit dem Jungen und bestelle ihm ein Tavukgöğsü, das mag er so gern. Dann
könnt ihr euch in Ruhe unterhalten. Ich habe inzwischen mit Cevdet was zu
besprechen.«
    »Du sollst dich aber nicht
anstrengen!«
    »Ist ja schon gut!«
    Mari nahm Ziya bei der Hand und
streichelte ihm über den Kopf. Irgend etwas hatte diese Frau an sich, das Cevdet
gerne auch bei Nigân gesehen hätte, aber er wusste selbst nicht genau, was. Als
die beiden hinausgingen, bekam Nusret einen Hustenanfall. Erst als dieser
vorüber war, wurde leise die Tür zugezogen.
    »Stell mal die Lampe hierher, damit ich
dein Gesicht richtig sehe«, sagte Nusret. »Du musst mir einen Gefallen tun. Für
den Jungen …«
    Cevdet stand auf, holte die
Petroleumlampe vom Tisch und stellte sie auf die kleine Kommode zwischen dem
Bett und dem Stuhl, auf dem er saß. Als Nusrets Gesicht so von oben her
beleuchtet wurde, sah es noch eingefallener und erschreckender aus.
    »Wo soll Ziya denn schlafen?« fragte
Cevdet.
    »In dem Hotel nebenan, mit Mari. Du
hast ja wohl nicht gedacht, ich lasse ihn hier neben der Leiche seines Vaters
schlafen, oder?«
    »Was redest du denn immer vom Tod?«
fragte Cevdet mit stockender Stimme.
    »Ach, lass doch das! Meinst du
vielleicht, in medizinischen Fragen kannst du mir was vormachen? Von wegen! Ich
habe vom Attentat auf Abdülhamit erfahren. Mari und ich haben gestritten
deswegen. Warum hast du mir die Sache verheimlicht?«
    »Weil ich nicht wollte, dass du dich
umsonst aufregst.«
    »Aufregen soll ich mich nicht? Und
lieber genauso ein Nachtwächter werden wie du, was?«
    »Ich habe eben nicht daran gedacht.
Außerdem meinte ich, du wüsstest schon Bescheid. Und wie sollte ich auch an so
etwas denken, bei all der Aufregung um dich …«
    Da merkte er, dass er schon wieder
in Schuldgefühle verstrickt war. Er leierte die gleichen Entschuldigungen
herunter wie eh und je. »Verachte ich ihn etwa? Er stirbt, und ich bleibe am
Leben. Somit habe ich recht und habe gewonnen!«
    »Du sagst ja nichts mehr. Woran
denkst du?« fragte Nusret.
    »An gar nichts!«
    »Hab ich dich verletzt? Du verstehst
doch hoffentlich, dass ich das nicht voller Abscheu gesagt habe, sondern weil
ich oft an dich denke. An ein Leben wie das deine … Manchmal habe ich richtig
Verständnis dafür. Aber ihr dagegen versteht Leute wie mich nicht. Außenseiter
werden von keinem verstanden. Wir sind unglücklich. Das verstehst du nicht, du
hörst ja nicht einmal zu. Woran denkst du gerade? Wieder an die Geschäfte? Was
hast du heute noch so gemacht?«
    »Ich war mit Fuat, einem
Kaufmannskollegen, beim Essen«, sagte Cevdet. Ganz froh darüber, nun anbringen
zu können, was er sich vorgenommen hatte, nämlich dass er die Ansichten seines
Bruders richtig fand und diese sich wohl durchsetzen würden, fuhr er fort: »Er
hat mir erzählt, dass sich auch in Saloniki etwas tut. Gegen Abdülhamit. Das
verstehe ich auch. Er sagt, dass etwas geschehen muss, und er hat auch recht
damit …«
    »Ach die! Die werden nie was
unternehmen! Die stehen überhaupt nicht mit Paris in Verbindung. Sie sind
nichts weiter als ein Haufen Dummköpfe ohne einen einzigen klaren Gedanken im Kopf.
Die sind nicht gegen den Sultan an sich, sondern nur speziell gegen Abdülhamit.
Nichts als Militärs, die ihren Sold zu niedrig finden. Abgesehen von einer
Handvoll von Leuten wie mir sind alle nur gegen Abdülhamit, aber ans Abschaffen
der Sultane

Weitere Kostenlose Bücher