Cevdet und seine Soehne
können ja unten wieder den Samowar aufstellen, so wie
früher. Und die ganze Nacht durchquatschen, wenn Muhittin kommt!«
»Ja genau, wo bleibt der
eigentlich?«
Da kam mit einem Grinsen im Gesicht
Osman herein. »Na, die jungen Herrschaften!« Obwohl er nur ein paar Jahre älter
war, gefiel er sich in diesem väterlichen Gehabe. »Da haben sich zwei
wiedergefunden! Wird gleich wieder Poker gespielt, was?« Er vollführte die
Geste des Kartenmischens.
»Komm, das ist vier Jahre her!«
sagte Refık.
»Na und?« versetzte Osman
auflachend, als hätte er einen gelungenen Scherz gehört. »Warum soll heute
nicht sein, was damals war?«
»Ja, genau!« rief Ömer. »Spielen wir
eben wieder!« Auf ein damaliges Bonmot anspielend sagte er: »Vier Jahre haben
wir hier Poker gespielt, während eure Mutter da unten saß, und am Ende waren
wir Ingenieure und sie gar nichts!«
Nigân hatte das seinerzeit oft gesagt,
doch Osman schüttelte sich nun vor Lachen, als würde er es zum erstenmal hören.
Schließlich versetzte er Ömer einen Klaps auf die Schulter, der ihm aber,
obwohl er spontan sein sollte, allzu gezügelt geriet.
»Ja, vier Jahre Poker … Ihr habt
die Siebener herausgenommen und zu dritt gespielt! Na, wo ist der Dritte denn?«
»Muhittin? Der soll gleich kommen«,
sagte Ömer. »Ich habe ihn bis jetzt erst einmal wiedergesehen.«
»Du bleibst doch zum Essen? Was, nicht?
Na hör mal! Erzähl uns doch wenigstens was von London! Was hast du denn da so
getrieben? Die sind uns wohl sehr voraus, was?«
»Das sind sie wohl!«
»Obwohl, bei uns tut sich ja auch so
einiges! Was sagst du dazu? Merkst du die Fortschritte?«
Da ging wieder die Tür auf, und
diesmal kam, fahrig wie eh und je, Muhittin herein. Er musterte Osman,
als hätte er ihn noch nie im Leben gesehen.
»Da ist ja der Dritte im Bunde!«
rief Osman. »Wir haben gerade von dir geredet!«
Muhittin wunderte sich über soviel
Herzlichkeit, da er und Osman sich nicht grün waren. Spöttisch lächelnd
erwiderte er: »Und was?«
»Ach nur, wie wir früher immer Poker
gespielt haben!« sagte Refık.
Muhittin und Osman schüttelten sich
die Hand. Zu Refık und Ömer gewandt, sagte Muhittin: »Na, wie geht’s so?«
Dann setzte er sich in einen Sessel in der Ecke, griff zu einer herumliegenden
Zeitung und begann darin herumzublättern.
»Tja, dann lass ich die jungen Leute
mal unter sich!« sagte Osman. An der Tür drehte er sich noch einmal zu Muhittin
um: »Und was ist jetzt mit deinem Gedichtband?«
»Geht voran«, brummte Muhittin.
»Na, bleibt mal unter euch. Ihr seid
Ingenieure geworden und unsere Mutter gar nichts!« Lachend ging er hinaus.
»Was ziehst du denn für ein Gesicht?«
fragte Ömer Muhittin.
Muhittin nickte zur Tür hin. »Du weißt doch, dass ich ihn
nicht ausstehen kann! Oder hast du das
etwa vergessen?« Und zu Refık: »Du bist mir doch nicht böse, weil
dich deinen Bruder nicht mag?«
»Ach Quatsch!«
»Also, was habt ihr über mich
geredet?«
»Gar nichts! Die alten Schwänke!«
sagte Ömer.
Sie schwiegen. Keinem schien danach
zu sein, etwas zu sagen. Von unten ertönte Gelächter, und vor der Tür tickte
laut die Wanduhr.
»Wie fröhlich es hier immer zugeht
bei euch …« sagte Muhittin. Er stand auf, nahm seine Brille ab und putzte sie
mit dem Taschentuch.
»Das ist wohl nicht so das deine?«
fragte Ömer.
»Weiß ich selber nicht so recht.
Soll ich das jetzt mögen oder abstoßend finden?«
Lächelnd ging Ömer auf Muhittin zu.
»Ich weiß schon, was du meinst!« Er legte ihm die Hand auf die Schulter. Da er
um einiges größer war als Muhittin, wirkte es wie eine väterliche Geste.
»Ömer hat ein bisschen von sich
erzählt«, sagte Refık.
»So, was denn?« erwiderte Muhittin und setzte sich
wieder.
»Ach, ein andermal!« versetzte Ömer.
»Na gut, ich muss sowieso gleich
wieder weg. Nach Beyoğlu rauf. Ich habe nur kurz vorbeigeschaut, weil ich
es versprochen hatte.«
»Soso, immer noch Beyoğlu?« sagte Ömer anzüglich.
Das entlockte Muhittin nicht das
erwartete Lächeln. Er reagierte auch nicht großspurig oder gar verlegen,
sondern sah nur finster vor sich hin.
Wieder kam Emine mit ihrem Tablett
und drei Tassen Tee herein. »Ich habe Sie schon heraufschleichen sehen!« sagte
sie scherzhaft drohend zu Muhittin. Als sie Refıks gequälte Miene sah,
trollte sie sich sogleich wieder mit den leeren Teetassen.
»Ich habe mich unten gar nicht
blicken lassen«, sagte Muhittin entschuldigend. »Weil Gäste
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