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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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in den Ferien war er immer
wieder zu Besuch bei uns. Dieser entsetzliche Husten!« Er versuchte den Husten
zu unterdrücken, um nicht den Eindruck zu erwecken, er sei nur vorgetäuscht.
Nachdem er sich eine Weile gekrümmt hatte, ging der Hustenanfall vorbei, doch
Cevdet spürte, dass er puterrot sein musste. Er fühlte sich nicht nur
erschöpft, sondern auch schuldig, und war zu keinem klaren Gedanken fähig. Wie
sollte das nur alles enden?
    Ziemlich lange schwiegen die beiden.
Cevdet wusste nicht, wie er das Gespräch fortsetzen sollte, und ihm schien, als
ginge es seinem Neffen nicht anders.
    Da stand Ziya auf, trat an den
großen Schreibtisch heran, an dem Cevdet saß, stützte die Hände darauf
und reckte den Kopf vor. Cevdet wurde mulmig zumute.
    »Jetzt sag mir mal das eine: Gibst
du mir jetzt das Geld, oder willst du mich noch länger hinhalten? Du hast mir
nicht genug geholfen, als ich jung war, und deshalb stehst du jetzt in meiner
Schuld!«
    Beinahe stotternd erwiderte Cevdet:
»Ich denke, dass ich dir gegenüber jederzeit meine Pflicht getan habe. Von
einer Schuld kann also keine Rede sein. Ich habe sogar mehr getan als nötig!«
    »Ach ja? Ich würde mal gerne wissen,
wie du es ohne meinen Vater überhaupt geschafft hättest, diese Firma
aufzubauen?«
    »Was soll denn dein Vater dazu
beigetragen haben?«
    »Wenn er und Leute wie er nicht
gewesen wären, dann wäre nie die Konstitution wieder eingeführt worden und erst
recht nicht die Republik!«
    »Was erzählst du da? Wer hat dir
denn diesen Unsinn eingeredet? Du hast wohl auch vergessen, dass dein Vater
schon drei Jahre vor der Konstitution gestorben ist? Jetzt nimm doch mal
Vernunft an! Und bring bitte diese alten Geschichten nicht durcheinander. Ich
habe deinem Vater stets geholfen. Vergiss bitte auch nicht, dass dein Vater ein
wenig zu sehr seinem Vergnügen zugetan war. An seinem frühen Tod ist auch der
Alkohol schuld. Und außerdem: Weißt du eigentlich, was ich alles leisten
musste, um es von einem kleinen Holzgeschäft bis zu dieser Firma zu bringen?
Jetzt sagst du nichts mehr, was? Du hast dir einfach was in den Kopf gesetzt
und schreckst vor keiner Respektlosigkeit zurück, um es zu verwirklichen.« Das
heftige Reden erschöpfte ihn. Schwer atmend fragte er schließlich: »Was soll
das Ganze eigentlich? Ist da eine andere Frau im Spiel?«
    Verdutzt sah ihn Ziya an und sagte:
»Ja.« Beschämt setzte er sich wieder. Mit Cevdets Frage hatte er wohl nicht
gerechnet.
    Auch Cevdet war überrascht.
»Vielleicht sollte ich einfach anordnen, dass sie ihm geben, was er will!«
dachte er. Er sah den jungen Mann an, der von seiner Frau, vom Militär, von
seinem ganzen Leben genug hatte und seinem Onkel Geld abpressen wollte, und er
sagte sich, dass er hier mit Moralvorstellungen und alter Sitte nicht mehr weit
kam. Mit der alten Menschen so eigenen Mischung aus Melancholie und Groll sah
er aber deutlich, was in Ziya vorging.
    »Gibst du mir jetzt Geld oder
nicht?« fragte Ziya, dessen schuldbewusste Miene wieder verflogen war.
    Cevdet wand sich. »Ich weiß ja nicht
einmal, wieviel du willst. Und kann auch gar nicht mehr so viel geben.«
    Ziya stand ruckartig auf und
brüllte: »Halt mich nicht schon wieder hin! Und glaub ja nicht, dass du mich so
leicht loswirst!«
    »Um Himmels willen, schrei doch
nicht so!«
    »Du hast schon immer versucht, mich
loszuwerden! In die Militärakademie hast du mich nur deshalb geschickt!«
    »Du wolltest doch Soldat werden!«
    »Das hat dir aber sehr gut in den
Kram gepasst! Ich sollte nur weg von der Bildfläche, denn neben der
Paşatochter, die du aufgetan hattest, war ich nicht salonfähig. Also hast
du mich in die Militärakademie gesteckt! Ja, ja, lass mich nur mal ausreden!
Wenn ich dann einmal im Monat nach Nişantaşı gekommen bin, hast
du mit Leidensmiene ein bisschen Taschengeld herausgerückt. Bei Tisch bin ich
mir immer vorgekommen wie ein Tagelöhner. Und irgendwann habe ich mir
geschworen, dass ich nie wieder meinen Fuß hierhersetze.«
    Cevdet brachte tonlos heraus: »Ich
habe zwischen dir und meinen eigenen Kindern doch nie einen Unterschied
gemacht!«
    »Lüge! Warum durfte ich dann nicht
auf das Galatasaray-Gymnasium, so wie sie? Ich hätte doch auch zusammen mit den
feinen Pinkeln auf die Schule gehen können, oder? Aber nein, ich wurde
abgeschoben auf diese Militärakademie!«
    »Ich wusste doch nicht, dass du so
über das Militär denkst!«
    »Wie soll ich denn sonst darüber
denken? Während ich

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