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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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eben!« warf Perihan
ein.
    Muhittin dachte: »Das ist ja
furchtbar! Vielleicht wird es mir auch mal so ergehen! Bei meinem Vater war es
ja auch nicht anders, und dann ist er auf einen Schlag gestorben. Alle müssen
wir sterben. Und wenn ich mit Dreißig noch kein guter Dichter bin, dann bringe
ich mich um. Das ist ein guter Vorsatz. Anstatt immer aufpassen zu müssen, dass
mir das Gebiss aus dem Mund fällt, werde ich dem Tod auf meine Art trotzen! So,
jetzt bin ich in Fahrt! Jetzt muss ich wieder schreiben und nicht länger hier
sitzen!«
    »Ach, schaut euch doch mal den
Kleinen an!« rief Perihan.
    Und schon sahen sie hin.

12
  ONKEL UND NEFFE
    »Ich verstehe dich ganz einfach nicht!« rief
Cevdet. »Gerade jetzt, wo dir die schönsten Möglichkeiten offenstehen, willst du
Knall auf Fall weg von der Armee? Was willst du denn dann machen?«
    »Geschäftsmann werden! Das sage ich
doch schon die ganze Zeit!« Seit zwei Stunden redete Ziya auf seinen Onkel ein.
    »Aber dafür braucht es doch
Erfahrung! Und dann weißt du ja auch, dass sich der Markt gerade erst wieder
langsam erholt. Und noch dazu steht uns ein Krieg bevor.« Auch Cevdet
wiederholte seit zwei Stunden immer wieder das gleiche.
    Nachdem Ziya sich zum letzten
Opferfest mit einer Glückwunschkarte wieder in Erinnerung gebracht hatte, war
er nun plötzlich in dem Firmengebäude in Sirkeci aufgetaucht und hatte erklärt, er wolle die Armee verlassen und von
nun an Handel treiben, und dafür brauche er von seinem Onkel etwas Geld. Cevdet,
der seinen Neffen jahrelang nicht gesehen hatte, versuchte diesen
unvermittelten Sinneswandel zu begreifen.
    »Aber was soll denn das in deinem
Alter?«
    »Ich sehe mich noch gar nicht so
alt!«
    Jung wirkte er allerdings nicht
gerade. Höchstens hafteten ihm noch ein paar eher kindliche Züge an, jenes
Verschreckte nämlich, das ihm schon damals zu eigen gewesen war, als vor
zweiunddreißig Jahren sein Vater gestorben war. Was ihn nun aber vor allem
kennzeichnete, waren ein Stolz und eine Rüpelhaftigkeit, die Cevdet mehr als
irritierten.
    »Die Geschäfte gehen zur Zeit
schleppend. Und falls es zu einem Krieg kommt, ist das für einen Soldaten genau
der Moment, wo er sich bewähren kann. Kriegsjahre sind die ideale Zeit für
Soldaten.«
    »Und für Kaufleute nicht?«
    »Wir haben davon nichts. Uns sind
die Hände gebunden, so dass wir zusammen mit den Frauen und Kindern nichts
anderes tun können als abzuwarten.«
    »Im letzten Krieg scheinst du aber
nicht nur abgewartet zu haben. Du sollst massenhaft Zucker importiert haben!«
    »Das ist ja unerhört! Ich lasse
nicht zu, dass du so mit mir sprichst! Von wem hast du diese Gerüchte?«
    »Das sind nicht bloß Gerüchte! Jeder
weiß darüber Bescheid!«
    »Rede gefälligst offen! Worüber weiß
jeder Bescheid? Dass ich mit Zucker gehandelt habe, als gerade zufällig Krieg
war? Das habe ich noch nie verheimlicht!«
    »Jeder weiß aber, dass du den Zucker
zu Wucherpreisen verkauft hast!« rief Ziya. Dann machte er eine abwinkende
Handbewegung. »Aber das interessiert mich ja auch gar nicht!«
    »Moment mal! Ich finde es höchst
betrüblich, dass du als mein Neffe auf Verleumdungen hereinfällst, die von
meinen Feinden ausgestreut werden. Aber natürlich weißt du nicht, dass dahinter
vor allem die Leute stecken, die damals Waren waggonweise verschoben haben. Hör
dir jetzt aber mal die Wahrheit an: Ich habe zu keiner Zeit Wucherpreise
verlangt, sondern lediglich meine Ware zu dem Preis verkauft, der auf dem Markt
gerade üblich war. Was soll ein Kaufmann auch anderes machen? Aber so was geht
natürlich nicht in deinen Kopf hinein! Du verstehst dich einzig und allein auf
Unverschämtheiten!«
    Ziya gab keine Antwort. Er sah über
die niedrigen Dächer hinweg auf die Galatabrücke und das darauf zufahrende
Schiff. Cevdet griff zu seinem Zigarettenpäckchen, obwohl er seine
Mittagszigarette schon geraucht hatte.
    Da wandte Ziya sich zu ihm um: »Du
solltest nicht schon wieder rauchen. Osman hat gesagt, das tut dir nicht gut,
und das solltest du auch selber wissen.«
    Schuldbewusst zog Cevdet seine Hand zurück.
»Na, dann sag mir doch mal, womit du überhaupt Handel treiben willst.«
    »Das weiß ich nicht genau. Wenn man
erst mal Geld hat, findet man doch immer was zum Kaufen und Verkaufen!«
    »Das ist also deine Auffassung vom
Handel?«
    »Klar! Ich kann zum Beispiel aus
Deutschland Eisen einführen, oder was weiß ich, vielleicht kaufe ich irgendwo
Zucker!« Er lachte

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