Chalions Fluch
schwere Portal zur Menagerie gerade so weit, dass er hindurchschlüpfen konnte, dann zog er es unmittelbar hinter sich wieder zu. Einen Moment verharrte er, damit seine Augen sich an das dunklere Innere gewöhnen konnten. Heustaub stieg ihm in die Nase, und er nieste.
Der daumen- und zungenlose Tierpfleger setzte einen Eimer ab, eilte zu Cazaril, verneigte sich und gab seine begrüßenden Laute von sich.
»Ich möchte zu Umegat«, teilte Cazaril ihm mit. Der kleine alte Mann verbeugte sich wieder und bedeutete ihm, weiterzugehen. Er führte Cazaril den Gang entlang. Die hübschen Tiere drängten allesamt in ihren Gehegen nach vorn und schnüffelten in seine Richtung, und die Sandfüchse sprangen hoch und winselten aufgeregt, als er vorüberging.
Ein gemauerter Raum am gegenüberliegenden Ende des Ganges erwies sich als Sattelkammer, die zu einem Arbeits- und Aufenthaltsraum für die Pfleger der Menagerie umgebaut war. Dort brannte ein behagliches kleines Feuer in einem steinernen Kamin und vertrieb die Kälte. Ein schwacher, aromatischer Rauchgeruch vermischte sich mit den Düften von Leder, Metallpolitur und Seifen. Die mit Wolle gefüllten Kissen der Stühle, auf denen der Pfleger ihn niedersitzen ließ, waren ausgebleicht und abgenutzt, der alte Arbeitstisch fleckig und vernarbt. Aber das Gemach war frisch gefegt, und die kleinen runden Glasscheiben der Butzenfenster – von denen es jeweils eines auf jeder Seite des Kamins gab – saßen blank poliert in ihren Fassungen. Der Tierpfleger gab wieder Geräusche von sich und schlurfte hinaus.
Einige Minuten später trat Umegat ein. Er trocknete seine Hände an einem Handtuch und glättete seinen Überwurf. »Willkommen, Herr«, sagte er. Cazaril war plötzlich im Zweifel wegen der Etikette, ob er wie vor einem Vorgesetzten aufstehen sollte, oder sitzen bleiben wie bei einem Diener. Das höfische Roknari kannte keine grammatische Form für den Schreiber zum Heiligen. Er stand auf und verbeugte sich unbeholfen und halbherzig aus der Hüfte, eine Art Kompromiss. »Umegat.«
Umegat schloss die Tür und stellte so Vertraulichkeit sicher. Cazaril beugte sich vor und verschränkte die Hände auf dem Tisch. Er sprach mit der Eindringlichkeit eines Patienten zu seinem Arzt: »Ihr seht die Geister des Zangres. Hört Ihr sie auch?«
»Normalerweise nicht. Ihr etwa?« Umegat zog einen Stuhl heran und setzte sich quer an Cazarils Seite.
»Nicht die hier …« Er wischte den aufdringlichsten Geisterfleck beiseite, der ihm bis hier hinein gefolgt war. Umegat schürzte die Lippen und schlug mit seinem Mantel danach, und der Geist huschte davon. »Dondo.« Cazaril beschrieb den Aufruhr, den er letzte Nacht in seinem Innern erlebt hatte. »Ich dachte, er bricht aus. Kann er das schaffen? Wenn der Griff der Göttin nachlässt?«
»Ich bin mir sicher, dass kein Geist einen Gott bezwingen kann«, sagte Umegat.
»Das … das ist keine richtige Antwort.« Cazaril grübelte vor sich hin. Womöglich wollten Dondo und der Dämon ihn durch schiere Erschöpfung umbringen. »Könnt Ihr mir nicht wenigstens eine Möglichkeit nennen, wie ich ihn zum Schweigen bringen kann? Ich hatte den Kopf unter einem Kissen vergraben, aber das war nicht allzu hilfreich.«
»Es besitzt eine Art Symmetrie«, bemerkte Umegat bedächtig. »Äußere Geister, die man sehen, aber nicht hören kann. Innere Geister, die man hören, aber nicht sehen kann. Wenn der Bastard da seine Hände im Spiel hat, könnte es etwas mit der Erhaltung des Gleichgewichts zu tun haben. Auf jeden Fall bin ich sicher, dass die Bewahrung Eurer Existenz kein Zufall war und nicht zufällig wieder von Euch genommen wird.«
Cazaril ließ diese Worte eine Zeit lang auf sich wirken. Tägliche Pflichten, was? Die hatten heute einige bemerkenswerte Wendungen mit sich gebracht. »Wisst Ihr, Umegat, ich hatte da eine Idee. Wir wissen, dass der Fluch der männlichen Linie des Hauses Chalion folgt, von Fonsa zu Ias zu Orico. Trotzdem trägt Königin Sara einen beinahe ebenso finsteren Schatten wie Orico, und sie ist kein Nachkomme Fonsas. Sie muss in den Fluch eingeheiratet haben – ist es nicht so?«
Die feinen Falten in Umegats Gesicht wurden tiefer, als er die Stirn runzelte. »Als ich zum ersten Mal hierher kam, vor Jahren, trug Sara bereits den Schatten. Aber ich nehme an … ja, so muss es gewesen sein.«
»Mit Ista verhält es sich vermutlich ebenso?«
»Vermutlich.«
»Dann kann Iselle womöglich aus dem Fluch ausheiraten? Ihn
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