Chalions Fluch
verdächtigen Anschein von Verrat.
Teidez beugte sich über das Schreibpult nach vorn und zischte: »Lord Cazaril, was wisst Ihr darüber?«
»Hoheit, ich werde mich später mit Euch darüber unterhalten. Ich kann Euch jetzt keine Antwort darauf geben.«
Teidez kniff die Lippen zusammen. Ungeduldig fuhr er sich mit der Hand durch seine dunklen Locken. Sein Blick wirkte unsicher und misstrauisch. »Ich verstehe«, meinte er in düsterem Tonfall, drehte sich um und marschierte hinaus. Sein geflüstertes Murmeln drang noch aus dem Gang herein: »Dann muss ich mich selbst darum kümmern …«
Wenn er damit meinte, dass er mit Orico reden müsste – gut. Dennoch würde Cazaril den König vorher noch ansprechen, und wenn das sich als unzureichend erwies, würde er es noch einmal versuchen, mit Umegat als Unterstützung. Er stellte die Schreibfedern in ihr Fässchen und schlug seine Bücher zu. Bevor er sich erhob, holte er noch einmal tief Luft und wappnete sich gegen die Stiche, die ihn bei jeder plötzlichen Bewegung quälten.
Eine Unterredung mit Orico war nicht leicht zu bekommen. Bei Cazarils Anblick suchte der König stets das Weite, da er in ihm immer noch einen Bot schafter für Iselles Ibra-Vorschläge sah. Deshalb wies Orico seinen Kammerdiener an, ein Dutzend Entschuldigungen vorzubringen, weshalb sein Herr derzeit indisponiert sei. Die Angelegenheit wurde noch komplizierter, weil das Gespräch vertraulich bleiben und unter vier Augen stattfinden musste – und ohne Störungen. So ging Cazaril nach dem Abendessen mit gesenktem Kopf vom Speisesaal aus über den Flur und dachte darüber nach, wie er seine königliche Beute am ehesten in die Enge treiben konnte, als ein heftiger Stoß gegen die Schulter ihn halb herumwirbelte.
Er blickte auf, und seine Entschuldigung erstarb ihm auf den Lippen. Der Mann, den er angerempelt hatte, war Ser dy Joal, einer von Dondos nunmehr arbeitslosen Handlangern. Was trieben all diese anrüchigen Burschen heutzutage, um sich ihr Taschengeld zu verdienen? Hatte Dondos Bruder sie geerbt? An dy Joals Seite gingen mit hässlichem Grinsen einer seiner Kumpane sowie Ser dy Maroc, der besorgt die Stirn in Falten legte.
»Unbeholfener Trampel!«, brüllte dy Joal und klang dabei wie ein schlechter Schauspieler. »Wie könnt Ihr es wagen, mich von der Tür wegzudrängen!«
»Ich bitte um Vergebung, Ser dy Joal«, sagte Cazaril. »Ich war in Gedanken woanders.« Er deutete eine Verbeugung an und wollte an dem anderen vorbeigehen.
Dy Joal verstellte ihm den Weg. Dabei warf er seinen Überwurf zur Seite und legte den Schwertgriff frei. »Ich sagte, Ihr habt mich fortgedrängt. Wollt Ihr mich nun auch noch Lügen strafen?«
Das ist eine Falle! Cazaril blieb stehen, und sein Mund wurde hart. »Was wollt Ihr, dy Joal?«
»Ihr könnt es bezeugen!« Dy Joal wies auf seinen Begleiter und auf dy Maroc. »Er hat mich beiseite gedrängt.«
»O ja, das habe ich gesehen«, bestätigte sein Kumpan gehorsam. Dy Maroc wirkte sehr viel weniger sicher.
»Ich fordere Genugtuung, Lord Cazaril!«, rief dy Joal.
»Das ist nicht zu überhören«, gab Cazaril trocken zurück. War es nun die Dummheit eines Betrunkenen, oder die einfachste Form eines Meuchelmordes? Ein Duell bis zum ersten Blut – ein bewährter Brauch und ein Ventil für den Übermut junger, adliger Heißsporne –, gefolgt von einem Mir ist das Schwert ausgerutscht, bei meiner Ehre! Er ist mir in die Klinge gelaufen!, und einer hinreichenden Anzahl gedungener Zeugen, so viele man sich eben leisten konnte.
»Ich werde Euch drei Tropfen von Eurem Blut nehmen, um diese Beleidigung abzuwaschen.« Das war die übliche Herausforderung.
»Du solltest deinen Kopf in einen Wassereimer stecken, bis du wieder nüchtern bist, Junge. Ich duelliere mich nicht. Ist das klar?« Cazaril hob kurz die Arme und öffnete seinen eigenen Überwurf, um zu zeigen, dass er zum Abendessen kein Schwert mitgeführt hatte. »Lasst mich vorbei.«
»Urrac, leiht dem Feigling Eure Klinge! Lasst uns die Sache draußen austragen – sofort!« Ruckartig wies dy Joal mit dem Kopf in Richtung der Tür am Ende des Flurs, die auf den Haupthof führte.
Sein Kumpan schnallte sein Schwert ab, grinste, und warf es Cazaril zu. Cazaril hob eine Augenbraue, aber nicht die Hand; er ließ die in der Scheide steckende Waffe zu seinen Füßen zu Boden scheppern. Mit einem Tritt beförderte er sie zu ihrem Besitzer zurück. »Ich duelliere mich nicht.«
»Soll ich Euch einen
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