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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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gute Übung dies für Teidez’ zukünftige Winterfeldzüge darstellte. Der Grund der Reise kam zwischen den beiden kaum zur Sprache, denn Teidez war immer noch verblüfft und verärgert darüber, wie Iselle seinen verstorbenen Helden abgewiesen hatte. Und Iselle war offensichtlich nicht dazu bereit, ihn mit dem Wissen um die groteskeren Gründe ihrer Abneigung zu belasten.
    Die Plötzlichkeit und die schrecklichen Begleitumstände von Lord Dondos Ermordung hatten durchaus eine allgemeine Erschütterung hervorgerufen. Doch Teidez musste einer der wenigen sein, die den Mann gekannt hatten und trotzdem ernsthaft um ihn trauerten. Und warum auch nicht? Dondo hatte geschmeichelt und geschwatzt und viel Aufhebens um Teidez gemacht. Er hatte den Jungen mit Geschenken und Vergnügungen überhäuft, von denen einige für sein Alter schädlich unangemessen gewesen waren. Und wie hätte Teidez verstehen können, dass die Laster erwachsener Männer nicht auch das waren, was einen erwachsenen Mann auszeichnete?
    Im Vergleich dazu musste der ältere dy Jironal wie ein kühler und gleichgültiger Begleiter wirken. Offensichtlich hatte das Unternehmen zunehmende Unruhe verursacht, während der enttäuschte dy Jironal die Untersuchungen immer raubeiniger betrieben hatte. Schlimmer noch: Dy Jironal, der dringend auf Teidez angewiesen war, konnte kaum verhehlen, wie wenig er von ihm hielt. Er hatte ihn seinen Leuten überlassen – dem Schreiber und Berater, den Wachen und Dienstboten – und ihn eher als Anhängsel denn als Mitstreiter behandelt. Wenn Teidez nun aber anfing, die Abneigung seines obersten Hüters zu erwidern – worauf seine unwirschen Ausführungen hindeuteten –, geschah dies aus den eindeutig falschen Gründen. Und falls sein neuer Schreiber ein wenig von der vernachlässigten Last seiner adligen Erziehung wieder auf sich nahm, gab Teidez’ Bericht keinen dahingehenden Hinweis.
    Schließlich forderte Nan dy Vrit die jungen Leute dazu auf, sich aufs Abendessen vorzubereiten, und brachte damit den Besuch zu einem Ende. Teidez ging langsam durch Cazarils Vorzimmer, wobei er missgelaunt auf seine Füße blickte. Der Junge war inzwischen fast so groß wie sein Halbbruder Orico, und sein rundes Gesicht deutete darauf hin, dass er irgendwann auch so massig und breitschultrig wurde, obwohl er sich bisher noch eine jugendliche Athletik erhalten hatte. Cazaril blätterte eine Seite in seinem Kassenbuch um und tauchte seine Feder wieder ein. Dann blickte er mit einem zaghaften Lächeln auf. »Wie geht es Euch, Hoheit?«
    Teidez zuckte die Achseln. Doch als er das Gemach bereits zur Hälfte durchquert hatte, drehte er sich um und trat an Cazarils Schreibpult. Kurz klopfte er mit den Fingern aufs Holz und blickte auf die Bücher und Papiere. Cazaril verschränkte die Hände und sah ihn fragend an.
    Unvermittelt sagte Teidez: »Irgendwas stimmt nicht in Cardegoss, ist es nicht so?«
    Es stimmte so vieles nicht in Cardegoss, dass Cazaril zuerst gar nicht wusste, wie er Teidez’ Worte auffassen sollte. Vorsichtig fragte er: »Wie kommt Ihr darauf?«
    Teidez machte eine kurze, abgehackte Handbewegung. »Orico ist kränklich, und er herrscht nicht so, wie er sollte. Er schläft zu viel, wie ein alter Mann. Aber so alt ist er gar nicht! Und man erzählt sich, er wäre …« Teidez wurde ein wenig rot. »Ihr wisst schon … er kann nicht so, wie es von einem Mann erwartet wird … mit einer Frau. Seid Ihr niemals auf den Gedanken gekommen, dass diese Krankheit etwas Unheimliches hat?«
    Nach kurzem Zögern versuchte Cazaril, ihn hinzuhalten. »Eure Beobachtungen sind sehr scharfsinnig, Hoheit.«
    »Auch Lord Dondos Tod war unheimlich. Ich glaube, das alles gehört zusammen!«
    Der Junge dachte nach – gut so! »Ihr solltet Eure Überlegungen Eurem Bruder Orico mitteilen. Er ist der richtige Ansprechpartner«, sagte Cazaril. Wenn nicht einmal Iselle den Mann nicht zur Vernunft bringen konnte, mit all ihrer leidenschaftlichen Beredsamkeit – was für eine Hoffnung blieb dann dem viel weniger wortgewandten Teidez? Orico würde einer Antwort ausweichen, wenn man ihn nicht im Voraus darauf festnagelte.
    Sollte Cazaril selbst die Wahrheit enthüllen? Doch ihm fehlte die Ermächtigung, dieses Staatsgeheimnis zu offenbaren, ja, er dürfte eigentlich nicht einmal davon wissen. Teidez musste von Orico persönlich vom Fluch des Goldenen Heerführers erfahren, nicht hinter seinem Rücken oder gegen seinen Willen, denn das besäße einen

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