Chalions Fluch
musste die Herzogin nicht einmal auf eine Karte schauen, um ihre Taktik zu planen.
»Lasst sie zu Teidez’ Bestattung mit allen Männern anreisen, die sie auftreiben können«, sagte Cazaril. »Vor allem müssen wir die Straßen zwischen hier und Ibra beherrschen, um die Sicherheit des Prinzen Bergon zu garantieren.«
»Schwierig«, erwiderte die Herzogin und lehnte sich mit geschürzten Lippen zurück. »Einige von dy Jironals eigenen Ländereien sowie die seiner Schwäger liegen zwischen hier und der Grenze. Ihr solltet eine Truppe an Eurer Seite haben. Ich werde die Männer aus Valenda abziehen und Euch überlassen.«
»Nein.« Cazaril schüttelte den Kopf. »Ihr benötigt alle Männer hier, sobald Iselle eintrifft. Und das kann durchaus vor meiner Rückkehr sein. Und wenn ich einen ganzen Trupp nach Ibra führe, wird es unser Fortkommen behindern. Für eine so große Gesellschaft können wir unterwegs keine frischen Pferde bekommen, und es wäre unmöglich, Geheimhaltung zu wahren. Wir sollten nach außen hin schwer erkennbar reisen. Lasst die Soldaten hier, dass sie uns bei unserer Rückkehr empfangen. Oh, und passt auf: Euer baocischer Hauptmann, den Ihr mit Teidez fortgeschickt habt, hat sich an Dondo verkauft! Man kann ihm nicht trauen. Wenn er zurückkehrt, werdet Ihr einen Weg finden müssen, ihn zu ersetzen.«
Die Herzogin fluchte. »Bei den Dämonen des Bastards, den werde ich an den Ohren aufhängen!«
Sie trafen Vorkehrungen, verschlüsselte Schreiben aller Art über Valenda weiterzuleiten, und die Herzogin versprach, einen Teil von Iselles Schmuck zu verpfänden, um das Geld zu bekommen, das Cazaril für den nächsten Abschnitt seiner Reise brauchte. Ein Dutzend weiterer Details klärten sie in ebenso vielen Minuten. Ihre schiere Entschlossenheit schützte die alte Dame vor dem Zugriff der Götter: Obwohl sie stets auf die fromme Einhaltung religiöser Zeremonien achtete, würde kein Gott ihren eisernen Willen bezwingen können.
»Ich glaube«, sagte Cazaril schließlich, »dass diese Heiratsverschwörung Iselle retten kann. Doch ich fürchte, Ista hätte kaum einen Nutzen davon.« Weder Ista, die traurig in der Burg von Valenda umherwanderte, noch Orico, der blind und aufgedunsen im Zangre lag. Und keine Ermahnung der Herzogin an Ista, sich zusammenzureißen, hatte einen Sinn, solange das schwarze Etwas ihr die Luft zum Leben nahm wie ein giftiger Nebel.
»Wenn es Iselle aus den Fängen von Kanzler dy Jironal rettet, bin ich zufrieden! Ich kann einfach nicht glauben, dass Orico derart niederträchtige Bestimmungen in seinem Testament festgelegt hat.« Diese juristische Verfügung hatte sie fast noch mehr aufgebracht als die übernatürlichen Angelegenheiten. »Mir die Enkelin fortzunehmen, ohne mit mir darüber zu sprechen!«
Cazaril strich sich über den Bart. »Euch ist bewusst, dass Eure Enkelin Eure Lehnsherrin wird, wenn alles nach Plan verläuft? Die regierende Königin von Chalion und Prinzgemahlin von Ibra.«
Die Herzogin kräuselte die Lippen. »Ja, und das ist das Verrückteste von allem. Sie ist nur ein Mädchen – auch wenn sie schon immer mehr Verstand hatte als der unglückliche Teidez. Aber was denken sich die Götter von Chalion nur dabei, so ein Kind auf den Thron in Cardegoss zu setzen?«
Leise sagte Cazaril: »Vielleicht, dass die Wiederherstellung Chalions eine Aufgabe ist, die eine lange Lebensspanne in Anspruch nehmen wird, und dass niemand, der schon so alt ist wie wir, diese Aufgabe bewältigen kann.«
Sie schnaubte. »Ihr seid selbst kaum mehr als ein Kind. Die ganze Welt liegt heutzutage in den Händen von Kindern, kein Wunder, dass alles drunter und drüber geht!« Sie seufzte. »Morgen haben wir viel zu tun. Bei den fünf Göttern, Cazaril, geht schlafen. Ihr seht aus wie ein aufgewärmter Toter.«
Mühsam stand er auf und verabschiedete sich. Die Ausbrüche der Herzogin bekümmerten ihn. Sie würde die Unterstützung aller ihrer Helfer brauchen, um sich nicht gefährlich zu verausgaben. Cazaril bat die im Nebenzimmer besorgt wartende Lady dy Hueltar, ihrer Verwandten und Herrin beizustehen.
Cazaril erhielt sein kühles, ehrwürdiges, altgewohntes Gemach im Bergfried zurück. Dankbar schlüpfte er ins wohlig warme Bett. Es war beinahe wie eine Heimkehr für ihn. Und doch ließen seine neuen Augen vertraute Orte seltsam erscheinen. Die Welt wurde eigenartig, während er sich veränderte, immer und immer wieder, bis schließlich kein Ort mehr blieb, an dem
Weitere Kostenlose Bücher