Chalions Fluch
der aufgeheizten Atmosphäre bei Hofe in diese stille, ordentliche Kleinstadt gebracht. Ohne Zweifel eine kluge Entscheidung.
»O nein, Cazaril!«, rief Iselle aus. »Bleibt hier o ben bei uns. Es ist doch viel schöner so!«
»In der Tat, das ist es«, versicherte er ihr.
»Es ist ungerecht. Ihr seid doppelt so schlau wie dy Sanda, und zehnmal so weit gereist! Weshalb erduldet Ihr seine Nachstellungen so, so …«, für einen Moment suchte Betriz nach dem richtigen Wort, „… so gelassen«, beendete sie schließlich ihren Satz. Kurz blickte sie in eine andere Richtung, als könne Cazaril an ihrem Gesicht ablesen, dass ihr ein weniger schmeichelhafter Ausdruck auf der Zunge gelegen hatte.
Cazaril grinste schief angesichts dieser unerwarteten Gefolgschaft. »Wäre dy Sanda glücklicher, wenn ich auf seine närrischen Spielchen einginge?«
»Ganz offensichtlich. Ja!«
»Na gut. Dann beantwortet Eure Frage sich wohl von selbst.«
Sie machte den Mund auf und schloss ihn wieder. Iselle lachte kurz auf.
Doch wie auch immer: Cazarils Sympathien für dy Sanda erhielten einen Aufschwung, als dieser eines Morgens bei ihm auftauchte – mit einem so totenbleichen Gesicht, dass die Haut beinahe grünlich wirkte. Er brachte die Besorgnis erregende Kunde, sein königlicher Schutzbefohlener sei verschwunden. Weder im Haus noch in der Küche noch bei den Zwingern noch in den Ställen fand sich eine Spur des Prinzen. Cazaril gürtete sein Schwert und bereitete sich auf einen Ausritt mit der Suchmannschaft vor, wobei er in Gedanken bereits die Stadt und das Umland aufteilte und die Möglichkeiten abwog: ein Unfall, Räuber, der Fluss, die Gasthäuser … War Teidez schon alt genug, um sich mit Huren einzulassen? Das wäre jedenfalls ein guter Grund, sein übliches Gefolge abzuschütteln.
Bevor Cazaril Gelegenheit bekam, die gesamte Vielfalt der Möglichkeiten vor dy Sanda auszubreiten – der immerzu nur an Räuber denken konnte! –, ritt Teidez in den Innenhof ein. Er war feucht und verdreckt, trug eine Armbrust über der Schulter und hatte einen toten Fuchs über dem Sattelbaum hängen. Ein Stalljunge folgte ihm. Teidez musterte die halb versammelte Reiterschar ebenso mürrisch wie erschrocken.
Cazaril gab seine Versuche auf, auf sein Pferd zu steigen, ohne irgendwelche schmerzenden Stellen in Mitleidenschaft zu ziehen. Stattdessen ließ er sich auf der Trittbank nieder, die Zügel seines Fuchswallachs in der Hand, und schaute fasziniert zu, wie vier erwachsene Männer auf dem Jungen herumhackten.
Wo seid Ihr gewesen? Diese Frage musste kaum gestellt werden. Warum habt Ihr das getan? Warum habt Ihr niemandem Bescheid gegeben? Teidez ertrug die Tirade größtenteils mit zusammengebissenen Zähnen.
Als dy Sanda kurz Atem holte, schob Teidez seine schlaffe, rötliche Beute dem Jagdaufseher Beetim zu. »Hier. Zieh das für mich ab. Ich will das Fell.«
»Das Fell taugt nicht viel zu dieser Jahreszeit, junger Herr«, erklärte Beetim. »Das Haar ist zu dünn und fällt aus.« Er stieß mit dem Finger gegen die dunklen Zitzen der Füchsin, die prall mit Milch gefüllt waren. »Und es bringt Unglück, in der Zeit der Tochter ein Muttertier zu töten. Ich muss die Schnurrhaare verbrennen, sonst kommt der Geist zurück und macht die ganze Nacht meine Hunde verrückt. Und wo sind die Jungen? Ihr hättet sie gleichfalls erschlagen sollen, wenn Ihr schon dabei wart. Es ist grausam, sie dem Hungertod zu überlassen. Oder habt Ihr sie irgendwo versteckt?« Sein zorniger Blick schloss den Stalljungen mit ein.
Teidez schleuderte seine Armbrust aufs Pflaster und rief verärgert: »Wir haben nach dem Bau gesucht, konnten ihn aber nicht finden!«
»Und du …« Dy Sanda wandte sich dem unglücklichen Stalljungen zu. »Du weißt ganz genau, dass du mir hättest Bescheid geben müssen!« Er beschimpfte den Jungen mit sehr viel schrofferen Ausdrücken, als er dem Prinzen gegenüber in den Mund zu nehmen wagte. Zum Schluss befahl er: »Beetim, nimm den Jungen mit und verpass ihm eine ordentliche Tracht Prügel für seine Dummheit und Frechheit.«
»Mit dem größten Vergnügen, Herr«, verkündete Beetim grimmig und stolzierte in Richtung der Ställe davon, den Fuchs in der einen Hand, den geduckten Knaben in der anderen.
Die beiden älteren Reitknechte brachten die Pferde zurück in die Ställe. Cazaril gab sein Reittier bereitwillig weiter und dachte ans Frühstück, das nun, wie es aussah, doch nicht auf unbestimmte Zeit verschoben
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