Chalions Fluch
Fundament für ausgedehnte Luftschlösser, geschweige denn dafür, gleich mit Möbeln und Wäsche anzurücken und den Versuch zu unternehmen, in ein solches Luftschloss einzuziehen. Und doch, sie lächelte ihm zu.
Immer wieder unterdrückte er diese Gedanken, doch immer wieder drängten sie sich in den Vordergrund – zusammen mit anderen Überlegungen, leider vor allem während des Schwimmunterrichts. Aber er hatte jeglichem Ehrgeiz abgeschworen. Er musste sich nicht länger zum Narren machen! Diese peinliche Erregung mochte ein Zeichen dafür sein, dass er wieder zu Kräften kam – aber was brachte ihm das? Er war so arm und besitzlos wie zu seiner Zeit als Page, und mit sehr viel geringeren Aussichten. Es war verrückt von ihm, Träume von Lust oder Liebe zu nähren. Und doch … auch der Vater von Betriz war ein Mann edler Abkunft, wenngleich ohne eigenen Besitz, der sein Leben in fürstlichen Diensten bestritt. Gewiss konnte er einen vergleichbaren Höfling nicht verachten.
Nein, verachten nicht – dafür war dy Ferrej zu weise. Aber er war auch klug genug zu erkennen, dass die Schönheit seiner Tochter und ihre Verbindung zur Prinzessin eine Mitgift war, die ihr im Hinblick auf einen Ehemann einiges mehr bringen konnte als den glücklosen Cazaril, mehr sogar als einen der Söhne des örtlichen Landadels, wie sie derzeit am Hofe der Herzogin als Pagen dienten. Betriz betrachtete diese Jungen offensichtlich nur als lästige Welpen. Doch einige von ihnen hatten ältere Brüder, die bescheidene Familiengüter erben würden …
Heute ließ Cazaril sich bis zum Kinn ins Wasser sinken, wobei er unter gesenkten Lidern beobachtete, wie Betriz auf einen Felsen kletterte. Durchschimmerndes, tropfnasses Leinen klebte an ihrer Haut, schwarzes Haar floss über die zitternden Rundungen ihres Leibes. Sie streckte die Arme zur Sonne, ehe sie sich mit dem Leib voran ins Wasser fallen ließ, um Iselle nass zu spritzen, die sich duckte und kreischte und zurückspritzte. Die Tage wurden mittlerweile kürzer, die Nächte kühler, und das galt auch schon für die Nachmittage. Das Fest der Herabkunft des Herbstsohnes lag nicht mehr fern. Die gesamte letzte Woche war es zu kühl zum Schwimmen gewesen – vermutlich blieben nur noch einige wenige Tage, die für diese vertraulichen nassen Ausflüge an den Fluss warm genug waren. Schnelle Ausritte und die Jagd würden die Damen bald schon zu trockeneren Vergnügungen locken. Und Cazarils gesunder Menschenverstand würde zu ihm zurückkehren wie ein streunender Hund. Oder nicht?
Die sinkende Sonne und die zunehmend kühlere Luft trieben die ausdauernde Gemeinschaft der Schwimmer schließlich aus dem Wasser. Eine Zeit lang verweilten sie noch am steinigen Ufer, um trocken zu werden. Cazaril war erfüllt von gelöster Ruhe und achtete nicht einmal mehr darauf, dass seine Schülerinnen ihre müßige Plauderei auf Darthacan oder Roknari führten. Schließlich zog er sich seine schweren Reithose sowie seine Stiefel an – neue, gute Stiefel, ein Geschenk der Herzogin – und gürtete sein Schwert. Er spannte die Sattelgurte der grasende Pferde nach und löste die Fußfesseln der Tiere. Dann half er den Damen in den Sattel. Widerstrebend, mit vielen Blicken über die Schulter auf die von Bäumen gesäumte Lichtung am Fluss, die hinter ihnen zurückblieb, zog die kleine Reiterschar den Hügel zum Schloss empor.
In einem Anflug von Leichtsinn trieb Cazaril sein Pferd an, um an Betriz’ Seite zu reiten. Sie schaute zu ihm hinüber, und für einen kurzen Moment zeigten sich wieder die reizenden Grübchen in ihrem Gesicht. War es ein Mangel an Mut oder ein Mangel an Geist, der die Zunge in seinem Mund so unbeweglich wie Holz machte? Es lag an beidem, sagte er sich. Er und Lady Betriz begleiteten täglich gemeinsam die Prinzessin Iselle. Wenn er den schwerfälligen Versuch unternahm, eine Beziehung zu beginnen und damit auf Ablehnung stieß – konnte dies die Zwanglosigkeit gefährden, die sich im Dienst für die Prinzessin zwischen ihnen entwickelt hatte? Nein! Er musste, er würde etwas sagen! Doch als das Burgtor in Sicht kam, fiel ihr Pferd in Trab, und der Augenblick war ungenutzt verstrichen.
Als sie in den Burghof einritten und die Hufe ihrer Pferde dumpf auf den Pflastersteinen scharrten, stürzte unvermittelt Teidez aus einem Seiteneingang und rief: »Iselle! Iselle!«
Erschrocken fuhr Cazarils Hand zum Griff seines Schwerts, denn Hemd und Hose des Jungen waren mit
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