Chalions Fluch
von Baocia. Dahinter Ersatzpferde, Schneeflocke – auf die zur Zeit der Name »Schlammkloß« allerdings besser gepasst hätte – sowie das beachtliche Gepäck der Reisenden. Für Cazaril, den altgedienten Veteranen mehrerer haarsträubend unangenehmer Reisezüge mit edlen Damen, war das Fortkommen ihres Zuges ein Wunder des Transportwesens. Der Ritt von Valenda nach Cardegoss hatte nur fünf Tage gedauert – sogar nur viereinhalb, wenn man es genau betrachtete. Mit fähiger Unterstützung von Betriz hatte Prinzessin Iselle ihren kleinen Haushalt mit Begeisterung angetrieben. Keine der unvermeidlichen Verzögerungen auf der Reise konnte man ihren weiblichen Launen zuschreiben.
Tatsächlich hatten sie beide, Teidez und Iselle, ihr Gefolge zu größtmöglicher Geschwindigkeit gedrängt, von dem Augenblick an, da sie Valenda verlassen hatten und losgaloppiert waren, um Istas herzzerreißendes Wehklagen hinter sich zu lassen, das selbst jenseits der Befestigungsanlagen noch zu hören gewesen war. Iselle hatte sich mit beiden Händen die Ohren zugehalten und ihr Pferd mit den Knien geführt, bis sie dem schmerzlichen Jammern ihrer Mutter entkommen war.
Die Nachricht, dass man ihre Kinder von ihrer Seite wegbefohlen hatte, stürzte die Königinwitwe zwar nicht in den Wahnsinn, jedoch in tiefe Verwirrtheit und Verzweiflung. Sie hatte geweint und gebetet, dagegen angeredet und war schließlich, nach langer Zeit, in Schweigen verfallen, was in gewisser Hinsicht eine Erleichterung darstellte. Dy Sanda hatte Cazaril anvertraut, dass Ista ihm einmal aufgelauert und versucht hatte, ihn zu bestechen, damit er mit Teidez fliehen würde – wobei allerdings unklar blieb, wohin und wie sie entkommen sollten. Er beschrieb sie als hilflos und stammelnd, haltsuchend und überreizt.
Sie hatte auch Cazaril in die Enge getrieben, als er am Abend vor der Abreise seine Satteltaschen gepackt hatte. Ihr Gespräch nahm einen anderen Verlauf – zumindest war es kein Gestammel, was immer man sonst davon halten mochte.
Für eine lange, schweigsame und beunruhigende Weile musterte sie ihn und fragte schließlich unvermittelt: »Habt Ihr Angst, Cazaril?«
Cazaril dachte kurz über eine Antwort nach, bevor er schlicht und wahrheitsgemäß erwiderte: »Ja, Herrin.«
»Dy Sanda ist ein Narr. Ihr seid keiner.«
Cazaril wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Deshalb neigte er nur höflich den Kopf.
Sie atmete tief ein, die Augen weit aufgerissen, und meinte: »Gebt auf Iselle acht. Wenn ich Euch jemals etwas bedeutet habe, beschützt Iselle! Schwört es mir, Cazaril!«
»Ich schwöre es.«
Sie fasste ihn gründlich ins Auge, doch sehr zu seiner Überraschung verlangte sie keine ausführlicheren Beteuerungen oder beruhigenden Wiederholungen von ihm.
»Wovor soll ich sie beschützen?«, erkundigte sich Cazaril vorsichtig. »Wovor habt Ihr Angst?«
Sie stand schweigend im Kerzenschein.
Cazaril erinnerte sich an Pallis wirkungsvolle Bitte: »Herrin, bitte, schickt mich nicht mit verbundenen Augen in die Schlacht!«
Sie stieß die Luft aus, als hätte man ihr einen Schlag in den Magen versetzt. Dann aber schüttelte sie nur verzweifelt den Kopf, wirbelte herum und stürmte aus dem Gemach. Ihre Begleiterin, die offenbar über die Maßen besorgt gewesen war, atmete aus und folgte ihrer Herrin.
Doch trotz der Erinnerung an Istas ansteckende Aufregung stellte Cazaril fest, dass seine Stimmung sich hob und die Befürchtungen zurückblieben angesichts der jungen Leute, die nun dem Ziel ihrer Aufregung immer näher kamen. Die Straße traf auf den Fluss, der von Cardegoss heranströmte, und folgte dem Ufer, als sie in ein bewaldetes Gebiet herabstiegen. Einige Zeit später vereinigte sich Cardegoss’ zweiter Strom mit dem ersten. Ein kühler Luftzug schnitt durch das schattige Tal. Auf der Seite des Flusses, die der Straße gegenüberlag, erhob sich eine hundert Meter hohe Felswand schroff aus dem Boden und wuchs steil in die Höhe. Da und dort klammerten sich kleine Bäume verzweifelt in vereinzelten Spalten fest, und Farne flossen über die Steine hinab.
Iselle hielt kurz an und schaute hinauf … Cazaril zügelte sein Pferd neben dem ihren. Von hier unten konnte man nicht einmal die Anfänge der belanglos wirkenden Befestigungsanlagen erkennen, mit denen menschliche Maurer die Spitze dieses natürlichen Festungswalles verziert hatten.
»Oh!«, sagte Iselle.
»Du meine Güte!«, stieß Betriz hervor und reckte ebenfalls den Hals.
»Der
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