Chalions Fluch
vorüber, ohne etwas zu sagen.
Cazaril bog in den oberen Flur ein und fand dort sämtliche Wandleuchter hell strahlend vor. Unerklärlicherweise hatte sich eine Menschenmenge versammelt – nicht nur Betriz, Iselle und Nan dy Vrit, auch Lord dy Rinal, einer seiner Freunde sowie eine weitere Hofdame, dazu Ser dy Sanda, standen beisammen und lachten. Rasch wichen sie an die Wände zurück, als Teidez mit einem Pagen durch ihre Mitte stürmte, in wilder Jagd hinter einem geputzten und mit Bändern behangenen jungen Schwein, das eine Länge Seidentuch hinter sich her zog. Zu Cazarils Füßen bekam der Page das Tier zu fassen, und Teidez stieß einen Triumphschrei aus.
»In den Sack, in den Sack!«, rief dy Sanda.
Er kam mit Lady Betriz heran, als Teidez und der Page gemeinsam versuchten, die quiekende Kreatur in einen großen Segeltuchsack zu bekommen, in den sie sichtlich nicht wollte. Betriz beugte sich hinab, um das kämpfende Tier kurz hinter den flatternden Ohren zu streicheln. »Vielen Dank, Fräulein Schwein! Ihr habt Eure Rolle hervorragend gespielt. Aber nun ist es an der Zeit für Euch, nach Hause zurückzukehren.«
Der Page wuchtete den schweren Sack auf seine Schulter, winkte der versammelten Gesellschaft grüßend zu und wankte grinsend davon.
»Was geht hier vor?«, verlangte Cazaril zu wissen, hin und her gerissen zwischen Belustigung und Beunruhigung.
»Oh, das war ein Riesenvergnügen!«, rief Teidez aus. »Ihr hättet Lord Dondos Gesichtsausdruck sehen sollen!«
Das hatte Cazaril, und es hatte ihn nicht eben heiter gestimmt. Er bekam ein flaues Gefühl im Magen. »Was habt ihr getan?«
Iselle warf den Kopf zurück. »Weder meine Andeutungen noch Lady Betriz’ deutliche Worte konnten Lord Dondo in irgendeiner Weise von seinen Aufmerksamkeiten abbringen, noch konnten sie ihn davon überzeugen, dass seine Aufmerksamkeiten unwillkommen sind. Also haben wir uns insgeheim verabredet und ihm das vertrauliche Stelldichein verschafft, das er immer wollte. Teidez nahm es auf sich, uns einen Mitspieler aus dem Stall zu besorgen. Und so kam es, dass Lord Dondo nicht die Jungfrau vorfand, auf die er gehofft hatte, als er im Dunkeln hinauf zu Betriz’ Bett schlich, sondern – Fräulein Schwein!«
»O weh, Ihr verleumdet die bedauernswerte Sau, Hoheit!«, rief Lord dy Rinal aus. »Es mag doch sein, dass sie gleichfalls Jungfrau war!«
»Das war sie bestimmt, sonst hätte sie nicht so gekreischt«, warf die lachende Dame an seiner Seite ein.
»Es ist nur zu schade«, merkte dy Sanda ätzend an, »dass sie nicht nach Lord Dondos Geschmack war. Ich muss gestehen, das überrascht mich. Nach allem, was ich über den Mann gehört habe, hätte ich ihn für weniger wählerisch bei seinen Bettgenossen gehalten.« Mit einem raschen Seitenblick versicherte er sich der Wirkung seiner Worte auf den grinsenden Teidez.
»Und das, nachdem wir sie sogar mit meinem besten Duftwasser aus Darthaca überschüttet haben!« Betriz seufzte tief. Die Heiterkeit in ihren Augen wurde unterstrichen durch funkelnden Zorn und tiefe Befriedigung.
»Ihr hättet mich einweihen sollen …«, setzte Cazaril an. Einweihen in was? In diesen Streich? Sie wussten genau, dass er ihn unterbunden hätte. In Dondos fortdauernde Aufmerksamkeiten? Wie weit waren die gegangen? Cazaril drückte seine Fingernägel gegen die Handfläche. Und was bitte hätten sie sonst dagegen tun können? Sich Orico anvertrauen, oder Königin Sara? Sinnlos …
»Das wird der Klatsch und Tratsch der Woche in ganz Cardegoss sein«, meinte Lord dy Rinal. »Und der beste Schwanz, wenn auch ein geringelter. Lord Dondo hat schon seit Jahren nicht mehr das Opfer gespielt, und ich denke, er war überfällig. Ich höre schon das Grunzen. Es wird Monate dauern, bis Dondo wieder einen Schweinebraten essen kann, ohne es zu vernehmen! Prinzessin, Lady Betriz …«, anmutig verneigte er sich vor den Damen. »Ich danke Euch aus tiefstem Herzen.«
Die beiden Höflinge und die Dame machten sich von dannen, vermutlich, um diesen Spaß mit jedem ihrer Bekannten zu teilen, der noch wach war.
Cazaril unterdrückte die Bemerkungen, die über seine Lippen wollten. Schließlich aber stieß er hervor: »Das war nicht besonders klug, Hoheit.«
Iselle erwiderte unerschrocken seinen Blick. »Dieser Mann trägt die Gewänder eines Großmeisters der Frühlingsherrin, und doch macht er sich daran, Frauen ihrer Unschuld zu berauben – einer Unschuld, die seiner Herrin heilig ist! Genauso, wie
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