Chalions Fluch
das glitzernde und durchschimmernde Stück im Sonnenlicht.
»Euer Haar wird nachwachsen.«
»Und Eure Schätze? Könnt Ihr die auch neu wachsen lassen?«
»So leicht wie Ihr Euer Haar, seid versichert.« Auf den Ellbogen gestützt legte er sich ihr zur Seite, den Kopf beinahe in ihrem Schoß, und lächelte zu ihr empor.
Iselles belustigte Miene schwand. »Findet Ihr Eu ren neuen Rang als Großmeister denn so einträglich?«
»Allerdings.«
»Dann hattet Ihr heute nicht die richtige Rolle. Womöglich hättet eher Ihr den Räuberhauptmann abgeben sollen.«
Dondos Lächeln wurde schmal. »Wenn die Welt nicht so beschaffen wäre – wie sollte ich jemals genug Perlen kaufen können, um hübsche Damen zu erfreuen?«
Rote Flecken zeigten sich in Iselles Gesicht, und sie schlug die Augen nieder. Dondos Lächeln wurde wieder zufriedener. Cazaril biss die Zähne zusammen und unterdrückte jede Bemerkung. Stattdessen griff er nach einem silbernen Weinkrug und bereitete sich darauf vor, diesem Notfall zu begegnen, indem er versehentlich ein wenig von dem Inhalt über Iselles Nacken verschüttete. Bedauerlicherweise war die Kanne leer. Aber zu seiner allergrößten Erleichterung biss Iselle als Nächstes in Brot und Braten und schluckte alle weiteren Worte damit hinunter. Allerdings war zu bemerken, dass sie ihre Röcke aus Lord Dondos Nähe beiseite raffte, als sie sich das nächste Mal anders hinsetzte.
Der herbstliche Abend wurde kühler, während die Schatten allmählich aus den Senken aufstiegen und die gesättigte Gesellschaft nach dem Räuberpicknick langsam zum Zangre zurückritt. Iselle zügelte ihre gescheckte Stute und ließ sich kurz an Cazarils Seite zurückfallen.
»Kastellan. Habt Ihr inzwischen für mich herausgefunden, ob etwas Wahres an dem Gerücht ist, dass Truppen der Tochter als Söldner verkauft werden?«
»Einige andere Leute behaupten das auch noch, aber ich würde es nicht als gesichert ansehen.« Tatsächlich war es ziemlich gesichert, doch Cazaril hielt es für unklug, das Iselle in diesem Moment mitzuteilen.
Schweigend legte sie die Stirn in Falten; dann trieb sie ihr Pferd voran, um wieder zu Lady Betriz aufzuschließen.
An diesem Abend fiel das Bankett sparsamer aus als gewöhnlich und endete ohne Tanz. Die ermüdeten Höflinge und ihre Damen schlenderten davon, um früh zu Bett zu gehen oder noch private Vergnügungen zu suchen. In einem Vorzimmer stellte Cazaril fest, dass Dondo an seine Seite trat und sich ihm anschloss.
»Lasst uns eine Weile zusammen gehen, Kastellan. Ich glaube, wir müssen uns unterhalten.«
Cazaril nickte entgegenkommend. Er folgte Dondo und gab vor, die beiden jungen Raufbolde nicht zu bemerken, die einige Schritte hinter ihnen schlenderten und zu Dondos verkommeneren Freunden zählten. Sie verließen den Gebäudetrakt an der Schmalseite der Burg und traten auf einen Innenhof, ein unregelmäßiges kleines Viereck mit Blick auf den Zusammenfluss der beiden Ströme. Auf eine Handbewegung von Dondo hin blieben seine beiden Freunde bei der Tür zurück und lehnten sich gegen die Mauer wie gelangweilte und müde Wachposten.
Cazaril schätzte seine Chancen ab. Ohne Zweifel war Dondo der geübtere Kämpfer. Und seine beiden Handlanger waren jung. Nicht mehr ganz nüchtern, aber jung. Bei drei gegen einen mussten sie womög lich nicht einmal die Klinge ziehen. Ein unbeweglicher Schreiber, der beim Abendessen vielleicht ein wenig zu freimütig dem Wein zugesprochen hatte, konnte bei einem anschließenden Spaziergang entlang der Befestigungsanlagen durchaus ausrutschen und in die Dunkelheit fallen, an den Felsen abprallen und dreihundert Fuß tiefer in den Fluss stürzen. Sein zerschmetterter Körper konnte dann am nächsten Tag aufgefunden werden, ohne dass auch nur eine einzige Stichwunde auf ein Verbrechen hindeutete.
Einige Laternen in Mauernischen warfen unruhiges, orangefarbenes Licht über die Pflastersteine. Einladend wies Dondo auf eine behauene Granitbank an der Außenmauer. Kalt und rau drückte der Stein gegen Cazarils Beine, als er sich niederließ, und unangenehm feucht strich die Nachtluft über seinen Nacken. Mit einem kurzen Ächzen setzte sich auch Dondo und schlug gewohnheitsmäßig den Mantel beiseite, damit der Schwertgriff freilag.
»Also, Cazaril«, begann er. »Wie mir scheint, genießt Ihr dieser Tage in recht beträchtlichem Umfang das Vertrauen der Prinzessin Iselle.«
»Die Stelle des Privatschreibers ist eine Aufgabe von hoher
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