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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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König aufmerksamer zuhörte, als sein schläfriges Auftreten vermuten ließ.
    Der Page geleitete Cazaril zu dem langen Saal im zweiten Stock von Ias’ Turm, wo dy Jironal während des Aufenthalts des Hofes im Zangre seinen Kanzleigeschäften nachging. Der Raum war von Regalen gesäumt, die von Büchern, Urkunden und Akten überquollen und auf denen eine Reihe der versiegelten Satteltaschen standen, wie die königlichen Kuriere sie benutzten. Zwei uniformierte Posten standen vor dem Saal und folgten nach drinnen. Dort nahmen sie vor der Tür Aufstellung. Cazaril fühlte ihre Blicke im Rücken.
    Gemeinsam mit dem Kanzler saß König Orico hinter einem großen Tisch, der mit Papieren übersät war. Orico sah müde aus. Dy Jironal wirkte nüchtern und angespannt. An diesem Tag trug er gewöhnliche Hofkleidung, jedoch mit seiner Amtskette um den Hals. An einem Ende des Tisches stand ein Höfling, den Cazaril als Ser dy Maroc erkannte, den königlichen Waffen- und Garderobenmeister. Am anderen Ende stand einer von Oricos Pagen; er sah besorgt aus.
    »Der Kastellan dy Cazaril, Majestät«, verkündete Cazarils Begleiter, ehe er sich mit einem Blick auf den anderen Pagen zurückzog und unauffällig am entfernten Ende der Halle Stellung bezog.
    Cazaril verbeugte sich. »Majestät, Herr Kanzler.«
    Dy Jironal strich über seinen grau gesträhnten Bart, blickte auf Orico, der mit den Schultern zuckte, und sagte dann ruhig: »Kastellan, Ihr könnt Majestät zu Diensten sein, indem Ihr Euer Obergewand ablegt und Euch umdreht.«
    Eisiges Unbehagen schnürte Cazaril die Kehle zu. Er kniff die Lippen zusammen, nickte und löste die Verschlüsse seiner Tunika. Dann zog er sie zusammen mit seinem Überwurf aus und legte beides sorgsam gefaltet über seinen Arm. Mit starrem Gesicht machte er eine militärische Kehrtwendung und stand still. Hinter sich hörte er zwei Männer erschrockene Atemzüge unterdrücken, während eine jüngere Stimme raunte: »Das war es. Ich habe richtig gesehen!« Ach. Dieser Page. So.
    Jemand räusperte sich. Cazaril wartete, bis die Röte in seinem Gesicht verblasst war. Dann machte er wieder auf dem Absatz kehrt. Mit fester Stimme sagte er: »War das alles, Majestät?«
    Orico sagte stockend: »Kastellan, es geht das Gerücht … Ihr seid angeklagt … Es wurde die Anschuldigung erhoben … Man hätte Euch in Ibra wegen Vergewaltigung verurteilt und auf dem Richtplatz ausgepeitscht.«
    »Das ist eine Lüge, Majestät. Wer hat das gesagt?« Er blickte auf Ser dy Maroc, der ein wenig bleich geworden war, nachdem er Cazarils Rücken gesehen hatte. Dy Maroc arbeitete nicht direkt für einen der beiden Brüder Jironal, und soweit Cazaril wusste, war er auch keine von Dondos anrüchigeren Kreaturen … Hatte man ihn womöglich bestochen? Oder handelte er in gutem Glauben?
    Eine klare Stimme erklang vom Flur her. »Ich möchte meinen Bruder ebenfalls sehen, und zwar sofort! Das ist mein Recht!«
    Oricos Wachen sprangen vor und wichen hastig wieder zurück, als Prinzessin Iselle in den Saal stürmte, dicht gefolgt von einer überaus bleichen Lady Betriz und Ser dy Sanda.
    Mit einem raschen Blick erfasste Iselle die anwesenden Männer. Sie hob den Kopf und rief: »Was soll das, Orico? Dy Sanda hat mir erzählt, du hättest meinen Schreiber festnehmen lassen, ohne mir Bescheid zu geben!«
    Der verärgerte Zug um Kanzler dy Jironals Mund ließ erkennen, dass diese Störung nicht in seinen Plänen vorgesehen gewesen war. Orico wedelte mit seinen massigen Händen. »Nein, nein, nicht festgenommen. Niemand hat hier irgendjemanden festgenommen. Wir haben uns nur versammelt, um einer Anschuldigung nachzugehen.«
    »Was für eine Anschuldigung?«
    »Eine überaus ernste Anschuldigung, Hoheit«, sagte dy Jironal. »Man sollte in Eurer Gegenwart nicht darüber reden. Ihr solltet Euch zurückziehen.«
    Iselle beachtete ihn nicht, zog sich einen Stuhl heran, ließ sich hineinsinken und verschränkte die Arme. »Wenn gegen den treuesten Bediensteten meines Haushalts eine ernsthafte Anschuldigung erhoben wird, muss ich sehr wohl davon hören. Cazaril, worum geht es?«
    Cazaril verbeugte sich knapp. »Personen, deren Namen bisher nicht genannt wurden, haben augenscheinlich üble Nachrede über mich verbreitet und behauptet, die Narben auf meinem Rücken seien auf eine Bestrafung für ein Verbrechen zurückzuführen.«
    »Im vorangegangenen Herbst«, warf dy Maroc nervös ein. »In Ibra.«
    Betriz’ großen Augen nach zu

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