Chalions Fluch
nicht seinem Rücken. Er stand ein wenig aufrechter.
»Nein«, sagte er schließlich. »Ich wurde verleumdet. Mein Wort steht gegen Hörensagen. Wenn Ihr nichts Besseres vorzuweisen habt als Gerüchte, weise ich diese Lüge zurück. Oder wo habt Ihr diese Geschichte her? Habt Ihr sie zu ihren Quellen zurückverfolgt? Wer beschuldigt mich? Seid Ihr das, dy Maroc?« Finster blickte er den Höfling an.
»Erklärt Euch, dy Maroc«, forderte dy Jironal ihn mit einer nachlässigen Geste auf.
Dy Maroc holte Luft. »Ich hörte diese Geschichte von einem ibranischen Seidenhändler, mit dem ich für die königliche Kleiderkammer Geschäfte tätigte.
Er erkannte den Kastellan wieder, wie er sagte, vom Richtplatz in Zagosur, und er war sehr erschrocken, ihn hier zu sehen. Wie er mir sagte, war es ein hässlicher Vorfall gewesen – der Kastellan habe die Tochter eines Mannes missbraucht, der ihn aufgenommen und ihm Obdach geboten habe. Er erinnerte sich so gut daran, weil diese Tat so niederträchtig war.«
Cazaril kratzte sich den Bart. »Ihr seid Euch sicher, dass der Mann mich nicht mit jemandem verwechselt hat?«
»Nein«, erwiderte dy Maroc steif. »Er kannte Euren Namen.«
Cazaril kniff die Augen zusammen. Kein Irrtum möglich – es war eine Lüge, unverblümt, gekauft und bezahlt. Aber wessen Zunge war gekauft worden? Die des Höflings, oder die des Kaufmanns?
»Wo befindet sich der Kaufmann jetzt?«, warf dy Sanda ein.
»Er führte seine Karawane vor dem Schneefall zurück nach Ibra.«
Sanft fragte Cazaril nach: »Sagt mir nur, wann genau habt Ihr diese Geschichte gehört?«
Dy Maroc zögerte kurz und zählte augenscheinlich die Tage ab, denn seine Finger bewegten sich an seiner Seite. »Es sind drei Wochen vergangen, seit er aufbrach. Kurz vor seiner Abreise sprach er mit mir.«
Jetzt weiß ich, wer hier lügt. Cazarils Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Lächeln. Er zweifelte nicht im Mindesten daran, dass es tatsächlich einen Seidenhändler gab, der zum angegebenen Zeitpunkt Cardegoss verlassen hatte. Doch der Ibraner war fortgezogen, bevor Dondo versucht hatte, ihn mit einem Smaragd zu bestechen. Und Dondo hätte sich nicht die Mühe gemacht, Cazaril auf diesem Umweg beiseile zu schaffen, ehe nicht der Versuch gescheitert war, ihn zu kaufen. Unglücklicherweise war das keine Beweisführung, die er zu seiner Verteidigung anführen konnte.
»Der Seidenhändler«, fügte dy Maroc hinzu, »hätte keinen Grund gehabt, Lügen zu erzählen.«
Aber du. Ich frage mich, was für einen … »Euch war diese ernste Anschuldigung seit über drei Wochen bekannt, aber erst jetzt habt Ihr Euren Herrn davon unterrichtet? Wie eigenartig, dy Maroc.«
Dy Maroc starrte ihn zornig an.
»Wenn der Ibraner fort ist«, sagte Orico gereizt, »können wir unmöglich herausfinden, wer die Wahrheit spricht.«
»Dann sollte man Lord dy Cazaril gewiss die Gunst des Zweifels gewähren«, meinte dy Sanda, der kerzengerade aufgerichtet dastand. »Ihr kennt ihn vielleicht nicht, wohl aber die Herzogin dy Baocia, die ihm ihr Vertrauen schenkte. Er diente ihrem verstorbenen Gemahl, insgesamt sechs oder sieben Jahre lang.«
»In seiner Jugend«, wandte dy Jironal ein. »Menschen ändern sich, müsst Ihr wissen. Insbesondere unter den Schrecken des Krieges. Wenn auch nur der geringste Zweifel an diesem Mann besteht, sollte ihm nicht eine derart bedeutsame und, wenn ich es sagen darf«, er warf Betriz einen scharfen Blick zu, »verführerische Position anvertraut werden.«
Empört holte Betriz Luft, aber da fiel ihr auch schon Iselle ins Wort – was vielleicht ein Glück war – und rief: »Was für ein Unsinn! Inmitten der Schrecken des Krieges habt Ihr selbst diesem Mann die Schlüssel der Festung Gotorget anvertraut, dem Ankerpunkt der gesamten Frontlinie Chalions im Norden. Offensichtlich hattet ihr damals genug Vertrauen in ihn, Graf! Und er hat dieses Vertrauen nicht enttäuscht.«
Dy Jironals Kiefermuskeln spannten sich, und er lächelte dünn. »O weh, wie kriegerisch ist Chalion geworden, wenn selbst unsere Jungfrauen uns schon bessere Ratschläge zu unserer Strategie geben wollen.«
»Schlechtere können sie uns schwerlich geben«, knurrte Orico halblaut. Nur eine kurze Seitwärtsbewegung seiner Augen verriet, dass dy Jironal ihn gehört hatte.
Mit verständnisloser Stimme fragte dy Sanda: »Ja, und weshalb wurde der Kastellan nicht mit dem Rest seiner Offiziere ausgelöst, als Ihr Gotorget abgetreten habt, dy
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