Chamäleon-Zauber
hatte. Wenn Trent sich ihm auf sechs Fuß nähern sollte, dann würde er fliehen, um nicht verwandelt zu werden. Vielleicht konnte er dem Magier ja entkommen. Doch so oder so durfte er keine Zeit verschwenden, denn er mußte befürchten, daß Chamäleon des Wartens müde werden und irgendeine Dummheit anstellen würde.
»Ich möchte wirklich nicht, daß Sie oder Chamäleon sterbenmüssen, und an meinem eigenen Überleben bin ich natürlich auch interessiert«, sagte Trent. »Auch wenn ich jetzt niemanden mehr liebe, so sind Sie beide mir doch nähergekommen als sonst ein Mensch. Es ist beinahe so, als habe das Schicksal es so gewollt, daß verwandte Seelen aus der gewöhnlichen Gesellschaft Xanths ausgeschlossen werden müßten. Wir…«
»Verwandte Seelen!« rief Bink empört.
»Es tut mir leid, wenn ich unzulässige Vergleiche gezogen haben sollte. Wir haben in einer recht kurzen Zeit ziemlich viel durchgemacht, und es ist wohl nur gerecht, wenn ich feststelle, daß wir einander gelegentlich auch das Leben gerettet haben. Vielleicht bin ich ja nur nach Xanth zurückgekommen, um mich mit Ihresgleichen zusammenzutun.«
»Vielleicht«, sagte Bink steif und unterdrückte die gemischten Gefühle, die in ihm aufstiegen. »Aber das rechtfertigt noch lange nicht, daß Sie Xanth erobern und wahrscheinlich ganze Familien dabei ausrotten werden.«
Trent wirkte schmerzlich berührt, aber er beherrschte sich. »Das behaupte ich ja auch gar nicht, Bink. Die Tragödie meiner Familie in Mundania war nur der Auslöser, nicht der Grund für meine Rückkehr. Mich hielt in Mundania nichts mehr, also habe ich meine Aufmerksamkeit natürlich wieder auf mein Heimatland Xanth gerichtet. Ich hoffe, ihm Gutes anzutun, indem ich es für die Realitäten der Gegenwart öffne, bevor es zu spät ist. Ich will Xanth nichts Böses tun. Selbst wenn es zu einigen Todesopfern kommen sollte, dann wäre dieser Preis für die Rettung Xanths doch nicht zu hoch.«
»Sie glauben wirklich, daß Xanth nicht überleben wird, wenn Sie es nicht retten?« Bink versuchte, abfällig zu klingen, aber es gelang ihm nicht so recht. Wenn er doch nur ebenso redegewandt wäre wie der Böse Magier!
»Ja, das tue ich wirklich. In Xanth ist eine neue Kolonisationswelle überfällig, und eine solche Welle würde ihm genauso dienen, wie es die anderen getan haben.«
»Die Wellen haben zu Mord und Vergewaltigung und Zerstörung geführt! Sie sind der Fluch Xanths gewesen!«
Trent schüttelte den Kopf. »Bei manchen war das der Fall, ja. Aber andere waren äußerst segenreich, wie etwa die vierte Welle, aus der dieses Schloß noch stammt. Es war weniger die Tatsacheder Wellen, als ihre mangelhafte Lenkung, die dem Land Ärger beschert hat. Alles in allem waren sie seinem Fortschritt dienlich, waren sie lebenswichtig. Aber ich erwarte ja gar nicht, daß Sie mir das glauben. Im Augenblick möchte ich Sie nur davon überzeugen, daß Sie dieses Schloß und sich selbst verschonen sollten. Ich versuche nicht, Sie von meiner Sache zu überzeugen.«
Irgend etwas an diesem Gespräch beunruhigte Bink zutiefst. Der Böse Magier wirkte viel zu reif, zu weise, zu engagiert. Trent irrte sich, er mußte sich irren, und doch redete er so überzeugend, daß Bink Schwierigkeiten hatte, diesen Irrtum aufzudecken. »Versuchen Sie doch, mich zu überzeugen«, sagte er.
»Ich bin froh, daß Sie das sagen, Bink. Ich möchte gerne, daß Sie meine logische Begründung für mein Tun kennen. Vielleicht können Sie mir ja auch mit konstruktiver Kritik dienen.«
Das klang nach einer raffinierten intellektuellen List. Bink versuchte, es als Sarkasmus zu werten, aber er war sich sicher, daß das nicht der Fall war. Er fürchtete zwar, daß der Magier intelligenter war als er, aber er wußte auch, daß er recht hatte. »Vielleicht kann ich das ja«, sagte er vorsichtig. Er hatte ein Gefühl, als wage er sich in eine Wildnis hinaus und als wähle er nur die sichersten Pfade, ohne jedoch der Falle in der Mitte entgehen zu können. Schloß Roogna – auf der körperlichen und auf der intellektuellen Ebene. Roogna hatte achthundert Jahre einer Stimme entbehrt, doch nun hatte es eine gefunden. Bink konnte gegen diese Stimme genausowenig anfechten wie gegen das scharfe Schwert des Magiers – aber er mußte es versuchen.
»Meine Begründung ist zweiteilig, ein Teil bezieht sich auf Mundania, ein anderer auf Xanth. Sehen Sie, trotz mancher ethischer und moralischer Rückschläge hat Mundania in
Weitere Kostenlose Bücher