Chamäleon-Zauber
nun, da sie Gesellschaft hatten, nahmen sie ihre richtige Gestalt wieder an. In einer Woche würden sie wahrscheinlich die Gestalt von richtigen Leuten wiedererlangt haben und auch deren Gesichtsfarbe, obwohl sie dann immer noch Geister waren. Bink nahm an, daß Milly sich wohl als recht hübsches Mädchen entpuppen würde, und er fragte sich, wie sie wohl gestorben sein mochte. Hatte sie vielleicht ein Verhältnis mit einem Gast im Schloß gehabt und war von einer eifersüchtigen Ehefrau dabei erwischt und erdolcht worden?
»Was ist los, Milly?« fragte er und blieb stehen. Er hatte das Schloß zwar vermint, doch gegen seine unglücklichen Bewohner hatte er nichts. Er hoffte, daß sein Bluff Erfolg haben würde, damit er nicht das Heim dieser Gespenster vernichten mußte, die für die grandiosen Streiche des Schlosses ja nun wirklich nichts konnten.
»Der König… Privatkonferenz«, sagte sie. Ihre Stimme klang immer noch etwas atemlos, da ein Wesen mit so wenig stofflicher Substanz (sie besaß ja kaum Ektoplasma) Schwierigkeiten beim Artikulieren hatte. Aber er verstand sie trotzdem.
»Eine Konferenz? Es sind doch nur wir hier«, warf er ein. »Oder willst du damit sagen, daß er auf dem Topf sitzt?«
Milly errötete, so gut ihr das eben möglich war. »Nein!«
»Na ja, tut mir leid, aber dann muß ich ihn eben stören«, sagte Bink. »Siehst du, ich erkenne ihn nicht als König an, und ich möchte das Schloß bald verlassen.«
»Oh.« Sie legte eine neblige Hand mit einer sehr weiblichen, Unheil andeutenden Gebärde vor ihr Gesicht. »Aber sieh!«
»Na gut.« Bink folgte ihr in die kleine Kapelle, die an die Bibliothek grenzte. Es war eigentlich ein Nebenzimmer des Hauptschlafraums, ohne Zugang zur Bibliothek. Doch es stellte sich heraus, daß es darin ein kleines Fenster zur Bibliothek gab. Da die Kapelle nicht erleuchtet und somit dunkler war als der Nebenraum, konnte man hindurchschauen, ohne selbst gesehen zu werden.
Trent war nicht allein. Vor ihm stand eine Frau in mittleren Jahren, die noch immer sehr gut aussah, obwohl ihre Schönheit bereits nachgelassen hatte. Sie trug die Haare in einem strengen Knoten, aber um Augen und Mund herum hatte sie Lachfalten. Und neben ihr stand ein Junge von etwa zehn Jahren, der der Frau stark glich und wohl ihr Sohn war.
Keiner der beiden sagte etwas, doch ihr Atem und ihre leisen Bewegungen verrieten, daß sie lebten und stofflich waren, also keine Gespenster. Wie waren sie nur hierhergekommen? Und was wollten sie hier? Warum hatten weder Bink noch Chamäleon ihre Ankunft bemerkt? Es war so gut wie unmöglich, sich dem Schloß unbemerkt zu nähern. Und das Fallgatter versperrte noch immer den Haupteingang. Bink war ja am Kücheneingang gewesen und hatte Bomben gebastelt.
Aber da sie nun einmal hier waren – warum redeten sie dann nicht? Warum redete Trent nicht? Sie blickten einander in gespenstischer Stille an. All das ergab keinerlei Sinn.
Bink beäugte das seltsame, schweigende Paar. Sie erinnerten ihn dunkel an die Witwe und den Sohn des Schattens Donald, denen er von der Silbereiche berichtet hatte, damit sie nicht länger inArmut zu leben brauchten. Die Ähnlichkeit war keine rein körperliche, denn diese Leute hier sahen besser aus und hatten offensichtlich niemals Armut ertragen müssen; vielmehr hatten sie eine Aura stillen Verlustes an sich. Hatte die Frau wohl auch ihren Mann verloren? Und war sie zu Trent gekommen, damit er ihr irgendwie half? Wenn dies der Fall sein sollte, dann hatten sie sich aber den falschen Magier ausgesucht.
Bink zog sich zurück. Es war ihm unangenehm, zu schnüffeln. Selbst Böse Magier hatten ein Anrecht auf ein Privatleben. Er schritt hinaus in den Gang und kehrte zur Treppe zurück. Milly, die ihre Warnung ausgesprochen hatte, war verschwunden. Offensichtlich kostete es die Gespenster einige Anstrengung, sich zu manifestieren und verständlich zu sprechen, so daß sie sich in ihrer freien Zeit wohl in irgendeinem Vakuum davon erholen mußten.
Er ging wieder auf die Bibliothek zu. Diesmal trat er laut und heftig auf, damit sein Kommen zu hören war. Trent würde ihn seinen Besuchern vorstellen müssen.
Doch als Bink die Tür öffnete, war nur der Magier im Raum. Er saß an einem Tisch und las wieder in einem Buch. Als Bink eintrat, blickte er hoch. »Wollen Sie sich ein gutes Buch holen, Bink?« fragte er.
Bink verlor die Fassung. »Diese Leute! Was ist mit ihnen geschehen?«
Trent runzelte die Stirn. »Was für
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